Traeumer und Suender
Aber sie schreit, so, wie sie damals in dem Keller geschrien haben muss, als der von einer Phosphorbombe getroffen wurde und die alle noch versucht haben müssen, sich die Kleider vom Leib zu reiÃen, aber das ging nicht mehr, weil die Kleider gleich so heià waren, dass sie mit der Haut verschmolzen, und die Haut war ein einziges Feuer. Wie konnte ich das überleben und meine Mutter nicht? Aber das hat mit Film nichts zu tun, was ich da sage, das müssen Sie rausschneiden aus Ihren Interviews. Ich meine das ernst. Das ist mein Krebs. Das ist das, womit ich nicht zurechtkomme. Und der Film sollte doch eine Befreiung sein.
Na, jedenfalls geht es los, und jetzt können wir in Schlesien auch gleich sehen, ob Ridley eine gute Entscheidung war. Zuerst wollte ich ja eigentlich Kevin MacDonald und seinen Kameramann Anthony Dod Mantle für den Film, ich wusste einfach nicht, ob Ridley den richtigen Zugang zum Historischen hat, ich fand sein Kreuzzugsepos nämlich sehr, sehr schwach;
Robin Hood
ist ein bisschen besser, aber manchmal fehlt mir bei Ridley einfach der Umgang mit dem Dokumentarischen, mit dem Realen, auch mit den wirklichen Landschaften, diese Feinheit, das wirkliche Auge für sensible, überraschende Details, aber das dürfen Sie Scott auf keinen Fall sagen! Hören Sie? Sonst komm ichin Teufels Küche. Ich schätze ihn ja sehr. Geldsack hätte er mich vielleicht nicht unbedingt nennen müssen, aber so was fällt halt schon mal im Eifer des Gefechts. Und glauben Sie mir, ich habe auch ganz schön ausgeteilt. Ah, wie das juckt!
Sehen Sie die kleinen roten Punkte? Auch die auf meinem Schädel? Ich führe Krieg mit den Mücken, die sind hier schnell und äuÃerst hinterlistig. Normalerweise sind die Anfang November weg, aber dieser Herbst war so warm, fast wie ein zweiter Frühling. Tigermücken, die hört man nicht mal mehr, die stechen und stechen und spritzen irgend so ein Zeug in einen rein, dass das Blut nicht verdickt, davon kriegt man sofort eine Allergie. Kommen aus der Po-Ebene. Haha, wie das klingt. Aber die leben ewig, diese Viecher, breiten sich langsam über ganz Europa aus. Verdammt, meine Haut brennt richtig, ich könnte mir das ganze Zeug vom Leib reiÃen, Ralph muss mich wirklich zurückhalten, stimmt doch Ralph, oder? Ralph? Er hört nicht. Wo ist der denn schon wieder? Ach ja, ich hatte ihn ja losgeschickt wegen der Croissants. Aber die Mücken machen mir wirklich zu schaffen. Deshalb sind Flüsse in der Nähe für mich auch nicht so gut wie das Meer.
Wie sehe ich aus? Ich finde, Dreiteiler stehen mir. Savile Row! Irgendwann verrate ich Ihnen mal die Adresse von meinem Schneider.»
Der alte Mann nickte beifällig, nahm ihn dann am Arm und wandte sich zum Gehen. «Ich bin richtig aufgeregt, dass Sie mich begleiten. Das ist schön, wirklich.»
«Warten Sie, es dauert nur einen Moment.» Der Interviewer befreite sich aus dem Griff, ging zum Tisch und sicherte seine Aufnahme. Er packte das Gerät ein und hängte die Mikrofone an seine Spezialtasche, die ihm einfacheAufnahmen auch im Gehen gestattete, klappte die Laschen fest, stellte die Pegel ein und schwang sich alles über die Schulter. «Fertig», sagte er. «Wir können gehen.»
«Sie können wirklich nicht ohne das Ding, wie?», grinste der alte Mann. «Das läuft auch mobil? Toll, was die Technik heute so alles kann. Ich habe noch eine kleine Ãberraschung für Sie, das habe ich Ihnen ja bereits am Telefon gesagt, bevor sie nach Rom kamen, nicht wahr? Ich weiÃ, Sie sind enttäuscht, dass Sie Ridley nur so kurz in Gleiwitz und unter diesen Umständen getroffen haben, das tut mir leid, aber es waren ja auÃergewöhnliche Umstände. Ich wollte Sie eigentlich diese zwei Tage sowieso nach Ferrara entführen, wir verleihen hier nämlich im nächsten Jahr zum Antonioni-Jubiläum einen neuen groÃen Preis für Regisseure. Heute wird alles eingetütet. Sie sind in der Stadt Ihres Heroen! Ich hätte es Ihnen wirklich gewünscht, dass Sie Michelangelo noch persönlich kennengelernt hätten, er hätte Sie sicher gemocht. Damals, als ich ihn kennenlernte, hat er kaum noch etwas gesagt, konnte nicht mehr richtig sprechen, nach seinem Schlaganfall. Schrecklich, schrecklich. Da ist man auf der Höhe seines künstlerischen Schaffens, und dann: Peng!, wie ein Blitzschlag knallt es einem den Körper
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