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Traeumer und Suender

Traeumer und Suender

Titel: Traeumer und Suender Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Goeritz
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alte Hauptstraße der Renaissanceerweiterung von Biaggio Rosetti mit ihrem Kopfsteinpflaster ein und steuerten langsam an den alten Palästen auf das wie mythisch von der Sonne aufgeladene Schloss zu. Der alte Mann blieb immer wieder kurz stehen, um zu verschnaufen oder den Interviewer auf eine besondere Formation Fenster oder Dachformen aufmerksam zu machen.
    Â«Wissen Sie, Cameron hat gestern wieder einen Scheiß verzapft. Nein, nicht die Diaz, diese blondierte ewige Cheerleaderschnepfe, die meint, sie müsste nur ihren unförmigen Herzmund aufmachen, lachen und die ganze Sache mitder Schauspielerei hätte sich erledigt. Typischer Fall von Besetzungscouchfellatio. Aber lassen wir das.
Der
Cameron,
Mister Titanic
, der glaubt, er hätte 3-D erfunden. Und das Kino gleich noch einmal mit. Nur weil er ein paar hirnamputierte blaue Affen durch seine Computerwäldchen springen lässt und uns ein Ökologiemärchen erzählt, Technik, die Technik zeigt, die nur zur Beherrschung da ist, großartig, die Lüge prangert die Lüge an. Und jetzt hat er vor, seine
Titanic
noch einmal untergehen zu lassen, Winslet und DiCaprio zum Greifen nah, doppeltes Abkassieren, und das auch noch mit einem Streifen, den es schon gibt. Demnächst, wenn die 3-D-Kameras billiger sind, fangen all die Nachwuchsstars an, ihre Pornofilme in 3-D zu drehen. Aufgeblähte Titten hier, das rosa Wundfleisch der Vulva als Kraterlandschaft, der Anusring als Allverschlinger, pulsierend, in den sich das Raumschiff Penis zu Erkundungszwecken hineinschiebt. Drohne. Hier, nehmen sie ein Croissant. Schweine im Weltall! Ja, Sie haben recht, ich bin etwas aufgekratzt, aber dafür kommt mein Appetit auch wieder.»
    Der alte Mann stopfte sich das halbe Croissant in den Mund und aß es so schnell, dass der Interviewer kaum mitbekam, wie er kaute.
    Â«Aber wirklich, zu Cameron. Es kam in der Sunday Times, Rieseninterview! Die Leute hängen an seinen Lippen, als wäre 3-D mit diesen bescheuerten Plastikbrillen das Gadget schlechthin, die Rettung der Filmindustrie, das Ankommen, der Neustart des Mediums im 21. Jahrhundert. Bah. Ich sage Ihnen, nach 3-D wird in zehn Jahren kaum noch einer krähen. Die Leute haben Angst vor dem Perfekten, sie wollen nicht, dass das Künstliche, das sie sowieso schon tagtäglich umgibt, auch noch ihre Träume prägt. Das ist ja dieKrux. Das Einzige, was du noch damit drehen kannst, sind Fantasy und Science Fiction. Nicht dass ich grundsätzlich was gegen die Genres hätte, aber gut gemacht muss das sein. Alles ist gut, wenn es gut gemacht ist. Erzählen muss man können, mit der Kamera, mit den Gesichtern.
Herr der Ringe
z.B. hatte ja wenigstens noch eine Geschichte. Da brauchte man diesen Schnickschnack von 3-D noch nicht. Obwohl mich diese Computermonster auch ziemlich gestört haben. Vor allem dieser Gollum. Sah aus wie ein sprechender Popel. Die Leute wollen sich auf etwas beziehen können, mitgenommen werden, nicht bloß überwältigt, und das wird unsere Chance sein.
Gleiwitz
. Die Rückkehr ins Reale. Die wirklichen Geschichten, die das Leben ausmachen, die Gefühle, die wir angesichts des Schreckens haben, die kleinen, nachvollziehbaren Dramen, die wir in der großen Geschichte haben, von der wir gar nicht mehr glauben, wir könnten sie beeinflussen. Unser Film wird das zeigen. Dass man das konnte, dass man das kann!»
    Erlenberg wischte sich die letzten Krümel Blätterteig von seinem Anzug.
    Â«So, atmen Sie auf! Wissen Sie, die eigentliche Frage ist doch, was die Kunst für unsere Gesellschaft bedeutet. Wir haben ja sogar vergessen, was das eigentlich heißt, Gesellschaft. Gesellschaft. Das waren ursprünglich Reisegefährten. So wie wir. Eine zufällige, zerbrechliche Gemeinschaft, aufgebrochen zu einem vage definierten Irgendwo, für die das Eigentliche aber das Wandern war, die Fußreise, das gemeinsame Beobachten der Welt auf dem Weg zum Ziel. Sonst, wenn dieser Tausch von Blicken, Gesten und Gedanken nicht funktioniert, geht man am Ende auseinander, oder man versucht sich mit immer neuen, immer größeren Zielen zu betäuben, bis das Ganze nur noch einrastloses Hasten von Punkt zu Punkt wird, Dauerplan und eingepferchter Transfer, nicht mehr Reise.
    Morgen, bevor wir nach Rom zurückfahren, machen wir einen Abstecher, ich muss Ihnen etwas zeigen. Auf der anderen Seite der
Piazza Ariostea
, gleich hinter der

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