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Traeumer und Suender

Traeumer und Suender

Titel: Traeumer und Suender Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Goeritz
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Hotel gehabt. Ich stell mirdas göttlich vor. Da haben die beiden gerade miteinander geschlafen, das Frühstück wird aufs Zimmer gebracht, meinetwegen ein gefülltes Cornetto und zwei Cappucini, und dann hilft der junge Mann dem schon etwas angegrauten Priester in seine Soutane. Ob sie Fernandels flehentlich zum Himmel gerichteten und doch so verschmitzten Blick dabei geübt haben?
    Ja, Italien nach dem Krieg, das muss eine seltsame Gesellschaft gewesen sein, da konnte man ja immer noch abwiegeln, was die italienischen Kriegsverbrechen denn überhaupt im Vergleich zum nationalsozialistischen Fabrikterror waren! Der Maßstab, der Maßstab macht das Verbrechen. Aber ist es nicht auch ungeheuerlich, wenn man das eigene Ungeheuer unter dem viel Größeren verstecken will?»
    Der alte Mann hatte aber gar nicht die Absicht, ihn antworten zu lassen. Er hielt ihn am Arm, sie schleppten sich weiter Richtung Schloss, und der Produzent fuhr fort zu erzählen, gelöst, aber mit einer Dringlichkeit, die der Interviewer nicht verstand.
    Â«Denken Sie nicht manchmal daran, wie es wäre, wenn Sie Ihr Leben noch einmal von vorn beginnen könnten? Mit all den Liebesgeschichten, dem ganzen Leiden, das Sie schon hinter sich gebracht haben? Natürlich tun Sie das, tun wir alle. Es ist einfach nicht fair, dass es im Nachhinein alles nur so aussieht, als sei es darum gegangen, etwas hinter sich zu bringen, die nächste Aufgabe, den nächsten Fick. Das selbst die Sprache, die zwei Verliebte sprechen, nur beim ersten Mal so wirkt, als wüssten sie nicht, dass diese Worte schon von Unzähligen gesagt, dass diese tiefen Blicke schon von Tausenden vor ihnen getauscht worden sind, ach was sag ich denn, von Millionen. Aber trotzdem: Da ist immer noch ein Geheimnis. So wie die Geräusche, die wir imNebel hören. Ich bin einmal in New York in einer Ausstellung im Metropolitan Museum gewesen. Chinesische Rollbilder. Eigentlich interessiert mich Asien nicht. Zu viel Gewalt, zu viele Menschen, und diese Tusche-Ästhetik und der ganze Zen-Kram haben mich auch nie angezogen. Aber da war dieses Bild. Mitten in einer Reihe von Bildern einer berühmten Flusslandschaft, am Li River, die chinesische Maler jahrhundertelang festgehalten haben, Berge wie Drachenrücken, Krüppelkiefern, ein Fluss und eine Brücke, die zu einem Tempel führt. Der Kaiser hatte einen Wettbewerb ausgelobt, wer diese Landschaft so malte, dass auf dem Bild all ihre Schönheit zum Tragen käme, dem würde er ein Vermögen zahlen. Und dieser eine unscheinbare Maler, ich kann mich an den Namen nicht erinnern, der hat die Brücke gemalt, nur eben die Brücke im Nebel. Man konnte den Tempel nicht sehen, den Fluss nicht und die Drachenberge nur ahnen. Nur ein kleines Stück der Brücke im Nebel. Und der hat den Preis gewonnen. Ich hätte ihm auch den Preis gegeben. Denn der Mann hat die Wahrheit gesagt. Wir alle sehen das Schöne nur, wenn es sich im Nebel befindet, wenn wir selber danach suchen müssen. In unserer Erinnerung.
    Und darum hab ich Ridley auch vorgeschlagen, dass er den Film so enden lassen soll, mit einer Szene im Nebel. Nicht unser neuer Heath Ledger und Nicole Kidman, einfach zwei junge Leute. Na ja, so jung ist die Kidman auch nicht mehr. Sie küssen sich, dann hört man Klirren, Dröhnen, ein Haufen Reiter taucht plötzlich aus dem Nebel auf. Eine polnische Kavalleriepatrouille. Die ruft das Vergebliche dieses Ringens auf, sie wissen schon, Pferde gegen Panzer und so. Und dann, ein anderes Liebespaar, auf der anderen Seite. Der gleiche Nebel, nur sind es hier Panzer, die die Idylle zerreißen. Aufmarschgebiet. Fühlt es sich so an, wenn Träume sterben? Aber dann: Man sieht Nicole KidmansGesicht. Ihre Lippen, wie sie sich öffnen. Sie ist gefangen in dieser Nacht, aber nicht vom Nebel und nicht von den Panzern. Ihr Krieg ist Begehren. Sie will diesen Mann. Man sieht eine Hand auf ihrem Schenkel, sieht die Augen eines Mannes, der nach dem Körper eines Mädchens greift. Sie keucht. Er küsst. Manchmal kann das Gras so nass sein, wie es will. Das ist den Liebenden egal. Ein letzter Griff, von wem zu wem? Sind es polnische Hände, deutsche? Spielt das überhaupt eine Rolle? Das ist ein Zeichen der Hoffnung, verstehen Sie? Liebe, wo es keine mehr geben kann. Liebe, die keine Grenze kennt. Aber Regisseure hören ja nicht auf mich, na, ist ihr gutes Recht.
    Kommen Sie,

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