Träumst du noch oder küsst du schon?: Roman (German Edition)
gerate ich in Panik. Mist, wie war die noch mal? Aber dann fällt mir der Code wieder ein. Klar, Magdas Geburtsjahr – ich weiß noch, wie sie mir das damals gesagt hat.
Eins, neun, sechs, fünf.
Die Alarmanlage verstummt, und ich drücke den Knopf für die elektrischen Fenstergitter und knipse das Licht an. Ein wahres Feuerwerk an Farben prasselt aus den Schatten auf mich ein, als die Bilder angestrahlt werden, und ein Glücksgefühl durchrieselt mich. Es hat irgendwie was Magisches, allein
in der Galerie zu sein. Ich weiß noch, wie ich einmal, als ich noch klein war, im Louvre in Paris meine Eltern verloren habe und plötzlich mutterseelenallein in einem Raum voller Gemälde stand. Die meisten Kinder hätten wahrscheinlich Angst gehabt, hätten angefangen zu weinen und verzweifelt nach Mama und Papa gerufen oder sie gesucht, aber ich weiß noch, wie aufgeregt ich plötzlich war, umgeben von so vielen verschiedenen Gesichtern, Gestalten, Farben. Fast war es, als hätte ich mich in eine Fantasiewelt verlaufen.
Meine Mutter sah die Sache allerdings leider ein bisschen anders, und ich weiß noch, dass sie mir gehörig den Kopf gewaschen hat, als sie mich endlich wiedergefunden hatte, und für den Rest des Urlaubs hat sie mich nicht mehr aus den Augen und von der Leine gelassen.
Ich hebe die Post auf, gehe zum Empfang und lege sie zusammen mit meinen Zeitschriften auf die Theke. Dann schalte ich den Rechner ein, nippe an meinem Kaffee und rufe unsere E-Mails ab. Eigentlich nichts Interessantes dabei … ein paar Pressemitteilungen, eine Praktikumsanfrage von einem Kunststudenten, eine Rechnung von dem Partyservice, der das Essen für unsere Ausstellungseröffnung geliefert hat, mit dem Betreff »Unbezahlt. Dringend«. Erstaunt runzele ich die Stirn. Dabei dachte ich, Magda hätte gesagt, sie hat denen letzte Woche einen Scheck geschickt. Ein kleines nervöses Angstgefühl beschleicht mich, aber das schüttele ich schnell wieder ab. Muss ein Versehen gewesen sein. Der Scheck und die E-Mail haben sich vermutlich überschnitten, weiter nichts.
Ich schaue vom Rechner auf. Noch immer ist kein goldener Bienenkorb in Sicht, also klicke ich auf Facebook. Na ja, bloß ein Minütchen … Mit einem kleinen Kribbeln in der Magengegend logge ich mich ein. In den vergangenen paar Tagen haben Adam und ich ein paarmal hin- und hergemailt.
Alles ganz unverfänglich und freundschaftlich. Er hat mir ein paar Sätze über den Kurzfilm geschrieben, an dem er gerade arbeitet; ich habe einige sorgfältig ausgearbeitete Zeilen über meine Arbeitswoche zurückgeschrieben.
Sorgfältig ausgearbeitet deshalb, weil ich zwar interessiert wirken will, aber nicht aufdringlich. Gesprächig, aber entspannt. Beschäftigt, aber nicht zu beschäftigt. Um zu signalisieren, sollte er sich mit mir verabreden wollen, um einen Film anzuschauen, hätte ich dafür sicher noch ein Plätzchen frei in meinem gutgefüllten Terminkalender.
Okay, um ganz ehrlich zu sein, ist mein Terminkalender eigentlich vollkommen leer, aber das darf er auf keinen Fall erfahren. Er darf nicht erfahren, dass ich jede Mail, die ich ihm schreibe, tausendmal lese und umschreibe, damit sie auch ganz bestimmt genau richtig klingt.
Himmel, früher war das viel einfacher. Da hat man einfach zum Hörer gegriffen und losgeplappert.
Oho, da schau an, ich habe eine ungelesene E-Mail in meinem Posteingang. Die Schmetterlinge in meinem Bauch schlagen ein wenig mit den Flügeln, als ich sie öffne. Sie ist von Adam.
Ich hätte diese Woche Zeit, falls du Lust hast.
Ruf mich an.
Darunter steht seine Telefonnummer. Ich starre die Nachricht an, als wollte ich ihr noch etwas mehr Bedeutung abringen, außer der, dass er Zeit hat und will, dass ich ihn anrufe. Ach, um Himmels willen, Lucy, was ist denn bloß los mit dir? Er will sich mit dir treffen! Mein Magen kribbelt vor Aufregung. Keine Ahnung, warum ich so aufgeregt bin.
Weil du ihn toll findest , flüstert eine kleine Stimme in meinem Kopf. Und weil er außer Nate der einzige Mann ist, den du
je richtig toll gefunden hast. Beim Gedanken an Nate stecke ich schnell die Hand in die Hosentasche und vergewissere mich, dass der Plan noch da ist. Keine Ahnung, ob und wann ich die Gelegenheit haben werde, ihn in die Tat umzusetzen. Und ob er funktioniert. Im Gegensatz zu meiner Schwester bin ich ganz und gar nicht davon überzeugt, dass sie recht hat. Ich glaube nicht, dass es so einfach ist. Aber momentan bleibt mir gar keine andere
Weitere Kostenlose Bücher