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Träumst du noch oder küsst du schon?: Roman (German Edition)

Träumst du noch oder küsst du schon?: Roman (German Edition)

Titel: Träumst du noch oder küsst du schon?: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Potter
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Weg ist das Ziel«, hatte sie mich entrüstet angeschnauzt. »Das Ziel ist das Ziel! Der Weg ist Nebensache.«
    Ein Pärchen schlendert vorbei, und ich bücke mich schnell und tue, als würde ich mir den Schnürsenkel zubinden. Eine reine Instinkthandlung. Dabei habe ich nicht mal Schuhe mit Schnürsenkeln an;ich trage Pumps mit kleinem Pfennigabsatz. Himmel, ich bin wirklich ein Naturtalent, sinniere ich und bin ganz schön beeindruckt von mir. Ich bleibe gebückt hocken und warte, bis sie weit genug weg sind. Dann gucke ich mich schnell nach allen Seiten um, ob die Luft rein ist, und hangele mich am Tor hinauf.
    Für einen kurzen Moment fürchte ich, mich aufzuspießen, und mein Sexleben zieht in Bildern an mir vorbei, aber dann bin ich auch schon auf der anderen Seite und lasse mich auf den Boden plumpsen. Kurz gebe ich mich dem Siegestaumel hin. Ich bin drin! Mit zittrigen Knien vor Nervosität und Aufregung laufe ich rüber zum Blumenbeet. Okay, ich muss das jetzt so schnell wie möglich hinter mich bringen und dann auf der Stelle wieder verschwinden. Rasch zünde ich die Kerze an und halte die Flamme an den Zettel mit Nates Namen und
Geburtsdatum. Der geht auf der Stelle in Flammen auf. Viel schneller, als ich gedacht hatte.
    Mist, wo ist das Gedicht? Ich meine, der Bannspruch? Mist.
    Hektisch krame ich nach dem anderen Papierfetzen – und befürchte für einen kurzen Augenblick, dass ich gerade den falschen Zettel verbrenne – so ein Mist –, aber dann finde ich ihn. Gott sei Dank. Ich hole tief Luft. Himmel, ich bin ein richtiges Nervenbündel.
    »›Winde aus Norden, aus Westen, aus Süden und Osten …‹«, beginne ich, den Spruch herunterzurasseln. Robyn hat mir zwar gesagt, ich solle die Augen schließen und jedes einzelne Wort atmen, doch ich hetze weiter, so schnell ich kann. »›… und seine Liebe zu mir sei aus und vorbei.‹«
    Ich sehe zu, wie das Blatt zu Asche zerfällt und in die Abendluft geweht wird.
    Prima. Das wäre schon mal erledigt. Jetzt brauche ich bloß noch den Schinkenknochen zu vergraben. Meine Anspannung lässt merklich nach. Siehste, war doch gar nicht so schwer, oder? Die ganzen Sorgen umsonst gemacht. Eigentlich ist dieses ganze Zaubergedöns ja kinderleicht, überlege ich und greife nach der Suppenkelle – eine kleine Schaufel hatten wir nicht – und fange an, mir eine Grube zu graben.
    Im wahrsten Sinne des Wortes.
    Denn just in diesem Augenblick höre ich ein Martinshorn ohrenbetäubend laut aufheulen und stehe unversehens in einem gleißenden Lichtkegel. Ich wirbele auf dem Absatz herum und blinzele in das blendend helle Scheinwerferlicht.
    Was zum Geier … ?
    Und dann dröhnt eine Stimme durchs Megafon. »Bleiben Sie, wo Sie sind, und nehmen Sie die Hände über den Kopf. Hier spricht das New York Police Department.«

Dreiundzwanzigstes Kapitel
    Okay, nur keine Panik.
    Eine ziemlich beängstigende Autofahrt in Handschellen später sitze ich auf einem sehr harten Plastikstuhl auf der Polizeiwache im Ninth Precinct und werde von einem Polizeibeamten namens Officer McCrory befragt, der alles andere als ein freundliches Gesicht macht.
    Ich glaube, ich kriege gleich die Krise.
    »Also, nur der Vollständigkeit halber …« Er räuspert sich und schaut in seine Notizen. »Ihnen werden widerrechtliches Betreten eines städtischen Grundstücks und das Entfachen eines Feuers vorgeworfen.«
    »Einer Kerze«, korrigiere ich ihn. »Einer weißen Kerze.«
    Genauigkeit ist wirklich wichtig, und sich penibel an die Fakten zu halten, sage ich mir ganz ruhig. Sonst werde ich am Ende noch wegen eines Vergehens angeklagt, das ich gar nicht begangen habe. Wie beispielsweise ein Raubüberfall. Oder Entführung. Oder womöglich sogar Mord.
    Sämtliche Alarmglocken beginnen bei mir zu schrillen.
    Fakten, Lucy. Immer dran denken, schön bei den Fakten bleiben.
    »Und warum das?«
    »Weil ich einen Zettel verbrennen und einen Bannspruch aufsagen musste.«
    »Einen Bannspruch?« Seine Augenbrauen zucken nach oben wie zwei dicke haarige graue Raupen, die über seine Stirn krabbeln.
    »Na ja, mehr so ein Gedicht«, erkläre ich. »Himmel, wie
ging das noch mal …?« Ich zermartere mir das Hirn, aber vor Aufregung ist alles wie leergefegt, und ich kann mich an nichts mehr erinnern. »Ähm, irgendwas mit Winden …«
    »Dem Bericht zufolge wurden Sie erwischt, als Sie gerade dabei waren, ein verendetes Tier zu begraben.«
    »Das war ein Schinkenknochen«, erkläre ich rasch. »Die

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