Träumst du noch oder küsst du schon?: Roman (German Edition)
dir.«
»Wer ist denn D?«, frage ich stirnrunzelnd.
»Oh … ähm, Daniel«, sagt sie leicht unbehaglich, als hätte ich sie bei etwas Verbotenem ertappt. »Wir sind am Rockaway Beach. Es ist superheiß heute, also sind wir hergekommen, um uns ein bisschen abzukühlen. Du warst noch nie hier, oder?«
Sie versucht, das Thema zu wechseln, ein todsicheres Zeichen, dass sie irgendwas zu verbergen hat.
»Was läuft da zwischen dir und Daniel?«, frage ich misstrauisch.
»Nichts«, gibt sie mit Unschuldsstimmchen zurück. »Wir sind bloß Freunde.« Dann senkt sie die Stimme. »Das ist rein platonisch.«
»Hey, Robyn, cremst du mir mal den Rücken ein?«
»Du cremst ihm den Rücken ein?«
»Tut mir leid, Lucy, aber ich muss Schluss machen.«
»Schluss machen?« Ungläubig starre ich mein Handy an. Habe ich mich gerade verhört? Seit Monaten ist sie auf der Suche nach Harold. Sie hat eine Hellseherin aufgesucht. Hat eine Traumtafel gemacht. Kerzen angezündet. Ihre Affirmationen aufgesagt. Fremde auf der Straße angequatscht. Und nun rufe ich sie an und sage ihr, dass ich ihn gefunden habe, und sie muss Schluss machen ? »Okay«, murmele ich widerstrebend. »Tja, aber drück uns auf jeden Fall beide Daumen. Wenn er sich entschließt, bei uns auszustellen, lernst du ihn auf jeden Fall kennen.«
»Wen?«, fragt sie geistesabwesend.
»Harold!«, japse ich ungläubig.
»Oh … toll.«
Bilde ich mir das bloß ein, oder könnte es aus ihrem Mund gar nicht weniger toll klingen?
»Okay, dann viel Spaß am Strand«, murmele ich achselzuckend.
»Danke! Bye.«
»Bye.«
Und dann hat sie auch schon aufgelegt, und ich bin irgendwie reichlich verwirrt. Na ja, dieses Gespräch ist nun wirklich ganz anders gelaufen als erwartet. Und ich bin nicht mal dazu gekommen, ihr zu erzählen, dass Nate auch hier ist, geht mir jetzt erst auf. Na ja, das kann wohl auch warten, bis ich wieder in New York bin, denke ich. Ist ja schließlich nicht mehr lange. Mein Flug geht morgen früh, also bin ich morgen Nachmittag wieder zu Hause.
Und dann habe ich noch jede Menge Zeit, mich für meine Verabredung mit Adam fertig zu machen.
Dieser Gedanke schießt mir unvermittelt durch den Kopf, und auf einmal wird mir ganz kribbelig vor Aufregung und Nervosität. Seit ich hier auf der Insel gelandet bin, habe ich versucht, nicht an Adam zu denken. Ich wollte mich durch nichts von dem Treffen mit Artsy ablenken lassen, vor allem nicht durch Adams lange Wimpern und wie er mich angeguckt hat, als wir draußen auf der Feuerleiter saßen. Und durch diesen Kuss .
Wenn ich nicht gerade über Artsy nachgegrübelt habe, hat Nate meine Gedanken gekapert, überlege ich grimmig und spule zurück zum gestrigen Abend, zu mir und ihm, zusammen im Muschelzimmer … ehe ich schnell wieder vorspule zu meinem bevorstehenden Date mit Adam. Okay, konzentriere dich, Lucy, konzentriere dich.
Kurz überlege ich, ihn in New York anzurufen, aber das Piepsen meines Handy-Akkus erinnert mich daran, dass ich vergessen habe, das Ladegerät einzupacken, und ich muss Magda unbedingt noch berichten, wie das Treffen mit Artsy verlaufen ist. Am besten klingele ich schnell bei ihr durch. Wobei ich mir allerdings eingestehen muss, dass ich eigentlich nicht den leisesten Schimmer habe, wie das Treffen wirklich verlaufen ist. »Wir haben Kartoffeln ausgegraben, Eiscreme gegessen und über Regenschirme philosophiert.« Ich trinke den Rest meines Kaffees aus, verlasse das Café und schlendere runter zum Hafen.
Eine kleine Fähre tuckert gerade über das Wasser auf die Stadt zu. Müde plumpse ich auf die Kaimauer und schaue dem Boot ein bisschen zu. Irgendwie ist mir ein wenig schwer ums Herz. Okay, mir mit Nate ein Bett teilen zu müssen wird mir sicher nicht fehlen, aber ansonsten wäre ich gerne noch ein paar Tage auf der Insel geblieben. Um sie mir ein bisschen genauer
anzuschauen und auf Entdeckungsreise zu gehen. Auf dem Weg von Artsys Haus hierher wurde ich von einem sehr gesprächigen Taxifahrer herumkutschiert, der mich mit Geschichten über Martha’s Vineyard bombardierte, inklusive der, dass Steven Spielberg einige berühmte Szenen von Der weiße Hai hier in Edgartown gedreht hat. Und dann erzählte er mir von dem tragischen Autounfall Ted Kennedys, bei dem seine junge Beifahrerin ums Leben kam, als die beiden damals, 1969, auf dem Weg von einer Party nach Hause von der Brücke abkamen, die zu der winzigen Insel Chappaquiddick führt.
Und von dort kommt jetzt auch
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