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Träumst du noch oder küsst du schon?: Roman (German Edition)

Träumst du noch oder küsst du schon?: Roman (German Edition)

Titel: Träumst du noch oder küsst du schon?: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Potter
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ist er mir nur aufgefallen, weil er so fehl am Platze wirkte. Nun kommt es mir vor, als stünde er plötzlich mitten im Scheinwerferlicht, und ich sehe nur noch ihn allein .
    Und nicht nur das, ich sehe auch jedes kleinste Detail . Wie am V-Ausschnitt seines T-Shirts ein paar Brusthaare herausschauen. Wie die Muskeln an seinen gebräunten Unterarmen sich spannen, als er in seiner Zeitschrift blättert. Wie die dunklen Locken ihm immer wieder in die Stirn fallen wie widerspenstige Kinder, die einfach nicht gehorchen wollen. Ich schaue zu, wie er sie mit dem Handrücken zurückstreicht.
    »Adam?«
    »Hey.« Er bekommt Lachfältchen um die Augen, als er mich sieht. »Du hast es also doch geschafft.«
    »Tut mir leid, dass ich so spät dran bin«, fange ich sofort an, mich zu entschuldigen. »Unser Flug hatte Verspätung, und dann hat mein Handy den Geist aufgegeben, weshalb ich deine SMS erst vor einer Stunde bekommen habe.«
    »Halb so wild. Ich hatte genug zu lesen.« Mit einem unbeschwerten Achselzucken unterbricht er meine Entschuldigungsversuche, dann rollt er seine Zeitschrift zusammen und verstaut sie in der Gesäßtasche seiner Jeans. »Schön, dass du da bist.« Er wirkt, als freue er sich wirklich, und er sieht einfach zum Anbeißen aus, und ich fange an zu schmelzen wie Schokolade in der Sonne. Mein ganzes Leben lang habe ich zu hören bekommen, wie unzuverlässig und unpünktlich ich bin, und bin mit ungeduldigem Zungenschnalzen oder entnervtem Seufzen begrüßt worden. Adam ist der erste Mensch, der sich einfach freut, dass ich da bin, und mir keine Vorwürfe macht.
    »Ich auch.« Ich lächele und will ihm einen Kuss auf die Wange geben. Schließlich möchte ich, trotz meiner ziemlich durchschaubaren Unterwäscheauswahl, nicht allzu plumpvertraulich
daherkommen und versuche gleichzeitig, den zwickenden Stringtanga zu ignorieren. Aber ungeschickt, wie ich bin, stolpere ich über die Bordsteinkante und lande mitten auf seinem Mund. Ein wohliges Kribbeln läuft durch meinen ganzen Körper bis in die Zehenspitzen.
    Hektisch und ziemlich ungelenk mache ich einen Schritt zurück. »Oje, tut mir leid …«, setze ich schon wieder an, mich zu entschuldigen.
    »Hey, halb so schlimm«, sagt er wieder. »Das wollte ich mir eigentlich bis zum Schluss aufheben, aber wenn du gleich damit anfangen willst …« Seine Augen blitzen belustigt auf, und ich muss laut lachen, obwohl mir das Ganze furchtbar peinlich ist. Das ist auch so was bei Adam: Selbst wenn ich gerade auf einer Polizeiwache in Tränen ausbreche oder ihn in aller Öffentlichkeit unsittlich berühre, er schafft es immer, dass ich mich wohl fühle in seiner Nähe.
    »Tja dann …« Er grinst mich an, und dann stehen wir einen Moment bloß da und schauen uns quer über den Bürgersteig an.
    »Tja dann …«, sage ich, hebe die Arme, wedele kurz damit und lasse sie wieder fallen. Fast wie ein Pinguin, geht mir plötzlich auf, sodass ich die Hände schnell in die Jackentasche stopfe, ehe er noch glaubt, er hat ein Date mit Pingu.
    »Wollen wir reingehen?«
    »Ja, okay.«
    Ganz selbstverständlich nimmt er mich sanft am Ellbogen und führt mich durch die Glastüren nach drinnen ins Foyer mit seinem verblichenen rotbraunen Teppichboden, in den ein verschlungenes, verschnörkeltes goldenes Muster gewebt ist. Kreuz und quer verlaufen auf dem Flor Staubsaugerspuren. An den Wänden hängen uralte gerahmte Plakate. Der Pate wird auf einem angekündigt, ein alter Bruce-Lee-Film und Alfred Hitchcocks Vertigo auf zwei anderen, und daneben
hängen angeschlagene Art-déco-Spiegel. Es riecht nach gebuttertem Popcorn und Lufterfrischern, und der ganze Laden könnte dringend einen neuen Anstrich gebrauchen, aber gleichzeitig strahlt er so eine leicht marode, gemütliche, belebte Atmosphäre aus, von der die großen modernen Multiplex-Kinos nur träumen können.
    Man merkt auf Anhieb, dass die Leute, die hierherkommen, dieses kleine Kino lieben. Mir geht es genauso, merke ich da. Ich mag diesen alten Kasten.
    »Ganz früher war das mal eine Feuerwache«, erzählt Adam, als wir durch das Foyer schlendern. »Es ist das älteste kontinuierlich spielende Kino der Stadt. Den ersten Tonfilm zeigten sie 1927, mit Al Jolson in Der Jazzsänger. Guck mal, da drüben hängt das Poster.« Man hört die Begeisterung in seiner Stimme, und die ist ansteckend. »Die Reaktion des Publikums ließ nicht lange auf sich warten. Sie konnten es einfach nicht glauben. Kannst du dir das vorstellen?

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