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Träumst du noch oder küsst du schon?: Roman (German Edition)

Träumst du noch oder küsst du schon?: Roman (German Edition)

Titel: Träumst du noch oder küsst du schon?: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Potter
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einfach zu verschenken. Ich meine, das ist genial!«
    Es wird still.
    »Wie bitte?« Magda wirkt plötzlich verwirrt. »Umsonst?«
    »Ja, darum geht es doch, oder? Das ist doch Ihre Philosophie. Kunst ist für alle da, ganz egal, ob man eine Million in der Tasche hat oder nicht mal zehn Cent.«
    Angst greift mit eiskalten Klauen nach mir. Es kann nicht sein, dass er gerade gesagt hat, was ich gehört habe.
    »Sie möchten Ihre Kunst verschenken?«, wage ich die zögerliche Frage, während mir das Lächeln auf dem Gesicht gefriert. Ich traue mich kaum, es auszusprechen. »Umsonst hergeben?«
    Worauf er mit Daumen und Zeigefinger eine Pistole nachmacht und tut, als drücke er ab. »Volltreffer!« Er grinst und scheint rundum zufrieden mit sich.
    »Volltreffer?« , krächzt Magda mit erstickter Stimme.
    »Statt sie zu verkaufen?«, hake ich nach, ganz betäubt, weil ich es kaum glauben kann.
    »Herrje, ja.« Er nickt, noch immer grinsend. »Das ist die Zukunft der Kunst. Kunst für die Massen.«
    Ich versuche, ganz ruhig zu bleiben, innerlich komme ich mir allerdings vor wie die Figur aus Munchs Gemälde Der Schrei. Ich schlucke schwer. Okay, jetzt nur keine Panik, Lucy. Du musst das irgendwie wieder hinbiegen. Du musst ihn irgendwie umstimmen. Denk nach, verdammt. Denk nach . »Ja, das ist eine Wahnsinnsidee. Wirklich genial.« Ich nehme all meinen Mut zusammen und hole tief Luft. »Es ist bloß, dass …«
    »Dass was?« Kurz unterbricht Artsy sein lustiges Herumgehopse auf seinen großen lila Nike-Turnschuhen, schaut mich an und zieht die Stirn kraus. »Launischer Künstler« steht ihm in fetten Lettern ins schmollende Gesicht geschrieben.
    Ich stocke. Es ist bloß, dass Magda alles verlieren wird, weil sie nicht nur die Publicity braucht, die diese Ausstellung mit sich bringt, sondern auch die Kommissionen, die der Verkauf der Arbeiten einbringen würde, um ihr Geschäft, ihr Auskommen und ihr Dach über dem Kopf zu sichern. Zaghaft schaue ich zu ihr rüber. Sie ist kreidebleich und wirkt etwas verwirrt, ein bisschen wie meine Oma, nachdem mein Opa gestorben war; als könne sie einfach nicht begreifen, wie das geschehen konnte.
    Mein Blick wandert zurück zu Artsy. Wie soll ich ihm das alles erklären?
    Kann ich nicht, oder?
    »Das ist wirklich eine unglaublich tolle Idee von Ihnen«, sage ich schließlich und zwinge mich zu einem strahlenden Lächeln. »Absolut genial.«
    Es ist, als hätte ich einen Schmeichelschalter umgelegt. »Ja, nicht wahr?« Mit einem Mal knipst er sein Lächeln wieder an. »Okay, na ja, dann wäre das ja alles geklärt …«Womit er mich und Magda abklatscht. »Tschaui, Leutchen.« Und damit spaziert er in seiner Krachledernen quer durch die Galerie und verschwindet durch die Tür nach draußen ins Straßengewirr Manhattans.
    Für einen Augenblick sagt keiner von uns einen Pieps. Ich versuche immer noch krampfhaft zu begreifen, was da gerade passiert ist. Eben schien alles noch so fabelhaft zu laufen, und im nächsten Moment …
    Zaghaft drehe ich mich um und schaue Magda an. Sie kauert zusammengesunken wie ein Häufchen Elend auf einem Stuhl und wirkt noch zierlicher und zerbrechlicher als sonst, fast wie ein kleines Kind.
    »Magda, es tut mir so leid«, setze ich zögerlich an.
    Fast glaube ich schon, sie hört mich nicht. Es ist, als sei sie meilenweit entfernt und starre einfach nur ins Leere, aber dann legt sie den Kopf ein wenig schief und schaut auf. »Wie bitte?«
    »Wegen der Galerie und allem.« Hilflos gestikuliere ich mit den Armen.
    Ihre Augen mit den stark getuschten Wimpern irrlichtern durch die Galerie, als wolle sie sich alles noch mal ansehen, und dann schaut sie schließlich mich an. »Das muss Ihnen nicht leidtun«, sagt sie leise.
    »Ich weiß, aber …«
    »Nichts sollte Ihnen je leidtun.« Ihre Stimme ist noch immer sehr leise, doch sie hat einen stahlharten Unterton, und dann richtet sich Magda kerzengerade zu ihrer vollen Größe auf und scheint irgendwo eine bisher ungeahnte innere Stärke zu finden. »Dann verliere ich eben die Galerie! Dann verliere ich eben meine Wohnung!« Ihre Augen funkeln wild entschlossen. »Na und? Meine Verwandten haben im Krieg alles verloren. Sie haben einander verloren.«
    Unsere Blicke treffen sich, und auf einmal erkenne ich in Magda eine Tiefgründigkeit, die ich bisher nicht kannte. Ich habe sie für laut und extravagant gehalten, ihre Übertreibungen und ihre theatralische Art geduldig ertragen, ihren verrückten Geschichten

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