Träumst du noch oder küsst du schon?: Roman (German Edition)
gehen, aber sie verstellt mir mit ausgestrecktem Arm den Weg und tut, als mache sie Dehnübungen im Türrahmen. Was wirklich seltsam ist. Magda macht keine Dehnübungen. Nach allem, was ich weiß, nicht mal in ihrem Fitnessclub: »Ich gehe nur da hin, um in den herrlich heißen Whirlpool zu steigen und dem noch heißeren Trainer zuzuschauen«, hat sie mir mal, ohne mit der Wimper zu zucken, erzählt.
»Entschuldigen Sie bitte, dürfte ich kurz durch?«, frage ich und gestikuliere mit meinem Mantel.
»Das mache ich schon.« Mit einem kurzen Lächeln nimmt sie mir den Mantel aus der Hand. »Geben Sie her, ich hänge ihn auf.«
Jetzt bin ich wirklich baff. Magda hängt normalerweise keine fremden Mäntel auf. Sie hängt ja nicht mal ihren eigenen Mantel auf, aus Angst, sich die manikürten Fingernägel zu ruinieren.
»Geht es Ihnen gut?«, erkundige ich mich etwas verunsichert.
»Wem? Mir?« In gespieltem Erstaunen schlägt sie sich an die Brust. Glauben Sie mir, als Schauspielerin ist sie ein noch hoffnungsloserer Fall als ich. »Ich bin bloß mit den Gedanken woanders«, erklärt sie und tippelt von einem weißen Lacklederstiletto
auf den anderen. »Mir geht gerade so vieles durch den Kopf.«
»Ach so, verstehe.« Ich nicke, und endlich kapiere ich, was hier los ist. Vermutlich hat sie ein schlafloses Wochenende hinter sich, weil sie sich Sorgen um die Galerie macht und sich den Kopf darüber zerbricht, ob meine Reise nach Martha’s Vineyard wohl ein Erfolg war. »Sie meinen Artsy.«
Ich hatte mit einer völlig anderen Reaktion gerechnet. Statt zustimmend zu nicken, guckt sie mich nur entsetzt an. »Wieso, was ist denn mit ihm?«, will sie irritiert wissen.
»Na ja, ich denke mir, Sie wollen sicher wissen, wie das Treffen verlaufen ist. Auf Martha’s Vineyard«, souffliere ich. Herrje, sie führt sich aber wirklich seltsam auf. Sogar noch seltsamer als sonst.
»Ah ja, ja, natürlich.« Sie nickt eifrig. »Ihre kleine Reise.« So, wie sie das sagt, klingt es fast, als hätte sie die schon vollkommen vergessen und sei mit ihren Gedanken ganz woanders. »Ich bin ganz Ohr.« Vertraulich legt sie mir den Arm um die Taille und führt mich quer durch die Galerie zur Rezeption.
Womit sie mich unauffällig so weit wie möglich vom Büro wegbugsiert, wie mir schnell aufgeht. Ich gucke sie scharf an. Was um alles auf der Welt geht hier vor? Warum benimmt sie sich bloß so absonderlich?
»Nur zu. Erzählen Sie mir alles«, fordert sie mich mit vorgespieltem Interesse auf und drückt mich auf einen Hocker.
»Na ja, er war wirklich nett und ganz anders, als ich es erwartet hatte«, setze ich an und spule im Geiste ein paar Tage zurück, »wobei ich gar nicht so recht weiß, was ich eigentlich erwartet hatte.«
»Mhm.«
»Als ich ankam, grub er gerade im Garten die Kartoffeln aus.« Beim Gedanken daran muss ich lächeln. »Und dann hat er mir seine neuesten Arbeiten gezeigt, die waren wirklich
ziemlich …« Ich schaue Magda an. Sie hört mir überhaupt nicht zu. Stattdessen fummelt sie an ihren Haaren rum und guckt sich nervös um.
»Mrs. Zuckerman«, sage ich mit sehr bestimmtem Ton.
Das rüttelt sie wach. »Ähm, ja, Lutzi?« Sie versucht sich an einer Unschuldsmiene, die wie ein Schuldeingeständnis wirkt.
»Sie scheinen etwas abgelenkt«, meine ich fragend.
»Tatsächlich?« Ihre Augen werden groß und rund, und sie sieht aus wie ein Kaninchen vor der Schlange. Sie zögert kurz und sagt dann: »Einen Moment. Ich habe was vergessen«, und damit huscht sie schnell durch die Galerie und verschwindet in ihrem Büro.
Völlig perplex schaue ich ihr hinterher. Und ziemlich angesäuert. Verflixt und zugenäht, das interessiert sie nicht die Bohne. Da fliege ich extra nach Martha’s Vineyard, um mich mit Artsy zu treffen, muss wegen ihm sogar mit Nate in einem Bett schlafen, und das alles nur, weil Magda das Ganze total aufgebauscht und so getan hat, als sei das die einzige Möglichkeit, die Galerie noch vor der drohenden Pleite zu retten. Und jetzt bin ich wieder da, und sie will mir noch nicht mal … »Überraschung!«
Unsanft aus meinen Überlegungen gerissen, sehe ich Magda wieder aus ihrem Büro kommen und dann beiseitetreten, sodass die groß gewachsene Gestalt hinter ihr zu sehen ist. Eine Gestalt in Lederhose, weißem Rüschenhemd und breitkrempigem Hut. Unter dem ist das Gesicht kaum zu sehen, aber es gibt nur einen einzigen Menschen, der in einem solchen Aufzug vor die Tür gehen würde.
»Artsy?«,
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