Träumst du noch oder küsst du schon?: Roman (German Edition)
reingehen, um Kanapees zu servieren, worauf ich mich auf den Weg zur Toilette mache.
Diesmal tatsächlich – ich muss nämlich wirklich. Also gehe
ich hin und drücke probeweise die Türklinke runter; es ist nicht abgeschlossen, und als ich die Tür aufmache, sehe ich, dass ein paar Männer im Klo stehen, von denen einer sich gerade über das Waschbecken beugt. Augenblicklich ist mir klar, was da los ist. Hier wird gekokst, und als ich hereinspaziere, schreckt der Typ hoch und guckt mich verdattert an. Es ist Brad. Und der Typ gleich neben ihm, das sehe ich jetzt erst, ist Nate.
»Oh!« Schockiert und verlegen bleibe ich einen Augenblick lang wie angewurzelt stehen, während das ganze Grüppchen sich geschlossen umdreht und mich anguckt. Dann finde ich meine Geistesgegenwart wieder.
»Verzeihung«, platze ich heraus, um mich dann schleunigst rückwärts zu verdrücken.
»Entschuldige mich kurz, Brad«, brummt Nate und folgt mir rasch nach draußen auf den Flur. »Wo willst du hin?« Fragend schaut er mich an, eine steile Falte auf der Stirn.
»Ich bin müde. Ich glaube, ich gehe nach Hause.«
»Ich komme mit.«
»Nein, brauchst du nicht. Bleib ruhig hier. Du hast ja offensichtlich alle Hände voll zu tun.«
Nate verzieht das Gesicht. »Ach, bitte, Lucy, stell dich nicht so an. Und mach mir jetzt bloß keine Szene.«
Ich gucke ihn an, und plötzlich ist es, als stünde ein wildfremder Mensch vor mir, den ich gar nicht kenne. Das ist nicht der langhaarige, kiffende, lässig-unbekümmerte Nate. Dieser Nate ist ein überspannter, sportbesessener Workaholic, der behauptet, Kaffee sei schlecht für den Körper, um dann bei einer Party mit einem Schleimscheißer im glänzenden Anzug aufs Klo zu gehen und sich Gott weiß was durch die Nase hochzuziehen.
»Darum geht es gar nicht. Du bist doch derjenige, der dauernd davon redet, was gesund ist und was nicht. Ich meine,
du trinkst ja nicht mal Leitungswasser«, sage ich abfällig, als mir die Szene von vorhin wieder einfällt.
»Das ist doch was ganz anderes.«
»Nein, ist es nicht«, entgegne ich kopfschüttelnd. »Du bist ein Heuchler.«
»Und du machst hier eine Szene«, flüstert er und schaut sich verstohlen um, ob einer der anderen Gäste etwas von unserem Wortwechsel mitbekommen hat.
Das geht mir eindeutig über die Hutschnur, aber ich verkneife mir eine bissige Antwort. »Hör zu, ich will mich nicht schon wieder streiten. Vergessen wir es einfach.« Ich will mir schon die Jacke anziehen und gehen, doch Nate kommt mir hinterher.
»Lucy, warte. Ich muss mich bloß schnell von ein paar Leuten verabschieden, dann komme ich mit.«
»Brauchst du nicht. Bleib ruhig hier. Ich rufe mir ein Taxi.«
Er guckt mich an, als wolle er sagen: Tu mir das nicht an. Blamiere mich jetzt bloß nicht vor all diesen Leuten.
»Ich brauche nur fünf Minuten.«
Letztendlich sind es gut zwanzig Minuten, die ich dumm in der Tür stehe und warte und zuschaue, wie er von einem zum anderen geht, sich in Gespräche verwickeln lässt, über Witze lacht. Mehrmals bin ich drauf und dran, einfach ohne ihn zu gehen, und fast wünsche ich mir, ich hätte es einfach getan, denn als er schließlich so weit ist und wir ins Taxi steigen, sind wir beide nicht gerade blendender Laune.
»Wir übernachten immer bei dir zu Hause – warum schlafen wir zur Abwechslung nicht mal bei mir?«, frage ich, als er dem Fahrer seine Adresse nennt.
»Wie? Willst du allen Ernstes lieber bei dir übernachten als bei mir?« Ungläubig starrt er mich vom anderen Ende der Rückbank an. Während wir bisher immer zusammengekuschelt in der Mitte saßen, hockt jetzt jeder in seiner eigenen
Ecke. Da braucht man kein Experte für Körpersprache zu sein, um zu merken, dass da irgendwas nicht stimmt.
»Was hast du denn gegen meine Wohnung?«, frage ich angriffslustig.
»Na ja, man kann deine Wohnung ja wohl kaum mit meiner vergleichen, oder?« Leise lachend zieht er eine Augenbraue hoch.
Wenn ich eben noch leicht angesäuert war, bin ich jetzt stinksauer. »Nein, bitte, rede ruhig weiter. Finde ich höchst interessant«, sage ich und verschränke erwartungsvoll die Arme vor der Brust.
Er seufzt etwas ungehalten. »Okay, nun ja, das eine ist ein Penthouse mit Blick auf den Central Park, das andere ist eine vierstöckige Mietskaserne mit Blick auf graffitiverschmierte Wände.«
»Mir gefällt’s«, zische ich böse.
»Tja, mir aber nicht«, gibt er achselzuckend zurück.
»Tja, deine Wohnung gefällt mir auch
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