Träumst du noch oder küsst du schon?: Roman (German Edition)
Gange«, aber eigentlich stehen bloß ein Haufen Leute dumm in der Gegend rum und trinken Wodka Martinis und reden über Fernsehen. Und mit »reden über Fernsehen« meine ich nicht, dass sie darüber plaudern, wer wohl bei der nächsten Staffel von »Dancing with the Stars« mitmacht, sondern sie lassen sich in aller Ausführlichkeit über die Feinheiten von Fernsehproduktionen aus, über steigende Produktionskosten, über Zuschauerzahlen und Quoten.
Von mir mal abgesehen scheinen sämtliche Anwesenden in der Fernsehbranche tätig zu sein, und während ich mir auf dem Weg hierher schon in schillerndsten Farben eine rauschende Party ausgemalt hatte, ist diese Veranstaltung ehrlich gesagt ziemlich öde. Ja, einmal, als ich mich wirklich sehr bemühe, einem Gespräch über den schwer einzuhaltenden Zeitplan einer Fernsehproduktion zu folgen, ertappe ich mich irgendwann dabei, wie meine Gedanken langsam abschweifen und ich mich frage, wann wir wohl wieder nach Hause gehen können. Dann sage ich mir allerdings schnell wieder, dass ich mit Nate in New York auf einer Party mit lauter Fernsehleuten bin. Vor ein paar Monaten hätte ich mir das in meinen
kühnsten Träumen nicht auszumalen gewagt, und jetzt will ich eigentlich bloß nach Hause, meinen Pyjama anziehen und mich mit Oprah auf der Couch einkuscheln. Ich meine, mal ehrlich, Lucy!
Und dann reiße ich mich zusammen und höre wieder aufmerksam zu.
»Wie schon gesagt, Integrität ist alles«, tönt Brad, ein kleiner Mann im glänzenden Anzug, der mich unter dem Vorwand, mich beiseitezuziehen, wenn wieder mal ein Kellner vorbeikommt, ständig antatscht. Aber auch, wenn der Kellner längst weg ist, bleibt seine Hand verdächtig lange auf meinem Rücken liegen. Was Nate allem Anschein nach überhaupt nicht mitbekommt. Er ist viel zu beschäftigt damit, seine Idee für eine neue Quizshow an den Mann zu bringen.
»Auf jeden Fall«, nickt Nate mit todernstem Gesicht.
Ich meine, bitte, wir reden hier über eine Quizshow und keine preisgekrönte Dokumentation.
»Entschuldigen Sie bitte«, sage ich höflich und versuche, mich unauffällig aus Brads Umklammerung zu winden.
»Warum, was haben Sie denn Schlimmes gemacht?«, gluckst der Kerl.
»Immer für einen Witz gut, Brad«, schmunzelt Nate und tut, als lache er sich schlapp über diesen müden Kalauer.
»Aber jetzt sagt doch mal«, trompetet Brad und grinst Nate und mich von einem Ohr zum anderen an, »wie habt ihr beide euch eigentlich kennengelernt?«
»In Italien. Wir haben beide Kunst studiert«, erkläre ich. Beim Gedanken an Venedig spüre ich wieder dieses altbekannte Prickeln.
»Ach, tatsächlich, dann sind Sie also Künstlerin?«
Ich stocke, weil ich gar nicht weiß, was ich auf diese Frage antworten soll. »War ich mal, eine Weile«, erwidere ich schließlich leise.
»Bis sie eingesehen hat, dass sie wie alle in der harten Realität leben und sich einen ordentlichen Job suchen muss«, wirft Nate lachend ein.
Seine Worte treffen mich wie Pfeile. »Ja, so ungefähr.« Ich nicke und zwinge mich zu einem Lächeln, innerlich ist mir jedoch, als wäre etwas zerbrochen, und bei der ersten sich bietenden Gelegenheit mache ich mich unter dem Vorwand, zur Toilette zu gehen, aus dem Staub und lasse die beiden gackernd wie die Hühner stehen.
Glücklich entkommen, schlendere ich zum anderen Ende des Raums. Die Party findet in einer Wahnsinnswohnung in Tribeca statt, überall Backsteinmauern und freiliegende Rohre und hypermoderne Möbel, die dastehen wie Kunstobjekte. Und wo wir gerade bei Kunst sind, von den umwerfenden Kunstwerken an den Wänden will ich erst gar nicht anfangen. Zweifellos alles Originale. Nate erzählte, der Besitzer sei ein hohes Tier bei einem Fernsehsender, worunter ich mir nichts vorstellen kann. Aber beim Fernsehen kann man anscheinend eine ganze Menge Geld verdienen, wenn man an der richtigen Stelle sitzt.
Nach einigen erfolglosen Versuchen, mich ein wenig unters Partyvolk zu mischen, bei denen ich einsehen muss, dass alle anderen hier eine Fremdsprache namens Fernsehtalk sprechen, die für mich ein Buch mit sieben Siegeln ist, stehe ich irgendwann draußen auf dem Balkon und unterhalte mich mit einem der Kellner. Er heißt Eric und ist Gitarrist in einer Heavy-Metal-Band. Nachdem er mir zwanzig Minuten lang in aller Ausführlichkeit von seinem letzten Auftritt berichtet hat, und davon, wie er den ganzen Abend headbangend neben einer Box gestanden hat, muss er schließlich wieder
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