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Trainspotting: Roman (German Edition)

Trainspotting: Roman (German Edition)

Titel: Trainspotting: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvine Welsh
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ihr trieb sie hinter den anderen her.
    Kenny fühlte die schweißige Augenbraue und die Hand seines Bruders.
    – Er glüht ja! Andy is nich tot! ANDY IS NICH TOT!
    Sim wollte gerade den Körper untersuchen, als er von Alice beiseitegeschoben wurde. Sie hatte die Beherrschung verloren und stürzte sich auf den warmen Leichnam im Schlafanzug.
    – ANDY! ANDY, KANNST DU MICH HÖREN?
    Andys Kopf fiel zur Seite, ohne daß sich der dumpfe versteinerte Gesichtausdruck veränderte, sein Körper blieb schlaff.
    Nina kicherte nervös. Die anderen hielten Alice umklammert wie eine gemeingefährliche Irre. Männer und Frauen umgluckten sie und machten besänftigende Geräusche, während Dr. Sim Andy untersuchte.
    – Nein. Tut mir leid. Mr. Fitzpatrick ist tot. Sein Herz hat aufgehört zu schlagen, sagte Sim ernst. Er trat zurück und steckte die Hand unter die Bettdecke. Dann beugte er sich vor und zog einen Stecker aus der Steckdose. Er hob ein weißes Kabel auf und zog einen daran befestigten Schalter unterm Bett hervor.
    – Jemand hat die Heizdecke angelassen. Das erklärt die Körperwärme und den Schweißausbruch, stellte er fest.
    – O je. Meine Güte, lachte Kenny. Er sah, wie Geoff ihn wütend anstarrte. Zu seiner Rechtfertigung meinte Kenny: – Andy würde sich bepissen vor Lachen. Da kannste mal sehen, was für ne Art Humor Andy hatte. Beschwichtigend hob er die Hände.
    – Du bist vielleicht ein Arschloch… Alice ist hier… stotterte Geoff wütend, drehte sich dann um und stürmte aus dem Zimmer.
    – Geoff. Geoff. Warte doch mal… flehte Kenny. Sie hörten, wie die Haustür zugeschlagen wurde.
    Nina meinte, vor Lachen fast in die Hose zu machen. Sie hatte Seitenstiche und mühte sich verzweifelt, den Lachanfall zu unterdrücken, der sie durchschüttelte. Cathy legte einen Arm um sie.
    – Ist schon gut, Liebes. Wein ruhig, Kleines. Mach dir keine Sorgen, sagte sie, als Nina feststellte, daß sie wie ein Baby heulte, mit wilder Energie hemmungslos heulte, während die Anspannung aus ihrem Körper wich und sie Cathy in die Arme sank. Erinnerungen, süße Kindheitserinnerungen durchfluteten ihr Bewußtsein. Erinnerungen an Andy und Alice und an das Glück und die Liebe, die es früher mal bei ihrer Tante und ihrem Onkel gegeben hatte.
    Sieg am Neujahrstag
    – Prost Neujahr, du kleines Arschloch! Franco legte den Arm um Steviers Kopf. Stevie spürte, wie mehrere seiner Nackenmuskeln rissen, als er sich steif, nüchtern und gehemmt bemühte, es den anderen gleichzutun.
    Er erwiderte den Gruß so fröhlich er konnte. Darauf folgte eine ganze Reihe von Neujahrswünschen; seine zögernde Hand wurde zerquetscht, sein steifer Rücken geschlagen, sein verkniffener passiver Mund geküßt. Er konnte nur an Telefon, London, Stella denken.
    Sie hatte nicht angerufen. Noch schlimmer, sie war nicht zu Hause gewesen, als er angerufen hatte. Auch nicht bei ihrer Mutter. Stevie war nach Edinburgh zurückgefahren und hatte Keith Millard den Weg freigemacht. Der Mistkerl würde das voll ausnutzen. Bestimmt waren sie jetzt gerade zusammen, genau wie letzte Nacht. Millard ließ nichts anbrennen. Stevie nicht. Stella auch nicht. Das war eine üble Zusammensetzung. In Stevies Augen war Stella nämlich auch noch die schönste Frau der Welt. Das ließ sie weniger promisk erscheinen, ja sogar als die reine Unschuld.
    – Entspann dich, verdammt noch mal! Es is Neujahr! Franco meinte das eher als Befehl, nicht als Vorschlag. So war er nun mal. Man mußte die Leute notfalls dazu zwingen, sich zu amüsieren.
    Das war meistens gar nicht notwendig. Alle waren unglaublich high. Es war schwierig für Stevie, diese Welt mit der in Einklang zu bringen, die er gerade hinter sich gelassen hatte. Dann bemerkte er, daß alle ihn anstarrten. Wer waren diese Leute? Was wollten sie? Die Antwort lautete, sie waren seine Freunde und sie wollten ihn.
    Vom Plattenspieler bohrte sich ein Lied in sein Bewußtsein und machte seinen Kummer nur noch größter.
    I love a lassie, a bonnie, bonnie lassie,
    She’s as sweet as the heather in the glen,
    She’s as sweet as the heather,
    The bonnie purple heather,
    Mary, ma Scots bluebell.
    Alle sangen voller Inbrunst mit. – Geht doch nix über Harry Lauder, so zu Neujahr, was? bemerkte Dawsie.
    An der Freude in den Gesichtern um ihn herum konnte Stevie das Ausmaß seines Kummers ablesen. Der Abgrund seiner Melancholie war bodenlos, und er stürzte hinein und entfernte sich immer weiter von der Ausgelassenheit um

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