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Trainspotting: Roman (German Edition)

Trainspotting: Roman (German Edition)

Titel: Trainspotting: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvine Welsh
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ihre heilige Pflicht. Trotz der Trauer konnte man nicht verhehlen, daß so etwas wie Erleichterung in der Luft lag. Es war Andys dritter Herzanfall gewesen, und jetzt, da er endlich gestorben war, konnten sie endlich ihr Leben weiterführen, ohne jedesmal nervös zusammenzufahren, wenn sie Alices Stimme am Telefon hörten.
    In der Zwischenzeit war Geoff eingetroffen, ein weiterer Bruder, Malkys Bruder. Er sah Nina geradezu haßerfüllt an, wie sie fand. Es war zermürbend und irgendwie merkwürdig. Geoff war ein Arsch. Wie alle ihre Cousins, jedenfalls die, die sie kannte. Tante Cathy und Onkel Davie (er war aus Glasgow und Protestant) hatten zwei Söhne: Billy, gerade aus der Armee entlassen, und Mark, angeblich drogensüchtig. Sie waren nicht hier, weil sie Andy oder sonst jemanden vom Bonnyrigg-Zweig der Sippschaft kaum kannten. Vielleicht kamen sie zur Beerdigung. Vielleicht auch nicht. Cathy und Davie hatten noch einen Sohn gehabt, der auch Davie hieß, aber der war vor einem Jahr gestorben. Er war geistig und körperlich schwerstbehindert gewesen und hatte den Großteil seines Lebens im Krankenhaus verbracht. Nina hatte ihn nur ein einziges Mal gesehen, wie er mit offenem Mund und leerem Blick ganz verrenkt in einem Rollstuhl gesessen hatte. Nina fragte sich, was Cathy und Davie wohl bei seinem Tod empfunden hatten. Trauer wahrscheinlich, aber vielleicht auch Erleichterung.
    Scheiße. Geoff kam herüber und wollte mit ihr reden. Sie hatte Shona mal auf ihn aufmerksam gemacht, und die hatte gesagt, er säh aus wie Marti von Wet Wet Wet. Nina haßte Marti und die Gruppe und fand sowieso, daß Geoff ihm überhaupt nicht ähnlich sah.
    – Alles klar, Nina?
    – Ja. Tut mir leid, das mit Onkel Andy.
    – Ach, was soll man schon sagen? Geoff zuckte mit den Schultern. Er war einundzwanzig, und Nina fand ihn uralt.
    – Und, wann machst du die Schule zu Ende? fragte Geoff sie.
    – Nächstes Jahr. Ich wollt schon dieses Jahr weg, aber meine Ma hat mich gedrängt, ich soll noch bleiben.
    – Und, machst du deinen Hauptschulabschluß?
    – Ja.
    – In was?
    – Englisch, Mathe, Rechnen, Kunst, Buchhaltung, Physik, Gesellschaftskunde.
    – Und, schaffst dus?
    – Klar. Ist nicht schwer. Außer Mathe.
    – Und was dann?
    – Such ich mir n Job. Oder n Arbeitsprogramm.
    – Aber du willst nicht auch noch Abi machen?
    – Nee.
    – Solltest du aber. Dann kannst du auf die Uni.
    – Wozu?
    Darüber mußte Geoff einen Augenblick nachdenken. Er hatte gerade Examen in Englischer Literatur gemacht und war auf Stütze. Wie die meisten seiner Mitstudenten auch. – Da ist mehr los, sagte er.
    Nina erkannte, daß der Blick, den Geoff ihr zugeworfen hatte, nicht haßerfüllt gewesen war, sondern lüstern. Er hatte offensichtlich was getrunken, bevor er gekommen war, und das hatte seine Hemmschwelle gesenkt.
    – Du bist ganz schön groß geworden, Nina, sagte er.
    – Ja, sagte sie und wurde rot. Sie bemerkte es und haßte sich dafür.
    – Wie wär’s, verschwinden wir von hier? Ich mein, darfst du schon ins Pub? Wir könnten auf ein Glas über die Straße.
    Nina dachte über das Angebot nach. Selbst wenn Geoff bloß Studentenscheiß erzählte, war das immer noch besser als dableiben. Im Pub würde sie jemand erkennen, schließlich war das hier Bonnyrigg, und jemand würde plaudern. Shona und Tracy würden es erfahren und wissen wollen, wer dieser dunkle, ältere Typ sei. Eine solche Gelegenheit konnte sie sich nicht entgehen lassen.
    Dann fielen ihr die Handschuhe ein. Sie hatte sie geistesabwesend auf der Kommode in Andys Zimmer liegenlassen. Also sagte sie: Na gut. Ich muß bloß noch mal auf die Toilette.
    Die Handschuhe lagen noch auf der Kommode. Sie nahm sie und steckte sie in die Jackentasche, aber da war schon ihr feuchter Slip, also nahm sie sie schnell wieder heraus und steckte sie in die andere Tasche. Sie sah zu Andy hinüber. Irgendwas war anders an ihm. Er schwitzte. Sie sah, wie er zuckte. Gott, sie hatte ihn ganz bestimmt zucken gesehen. Sie berührte seine Hand. Sie war warm.
    Nina stürzte die Treppe hinunter. – Onkel Andy! Ich glaub… ich glaub… ihr müßt mal kommen… ich glaub, er lebt noch…
    Alle sahen sie ungläubig an. Kenny reagierte als erster und sprang, drei Stufen auf einmal, die Treppe hoch, Davie und Doktor Sim hinterdrein. Alice zuckte nervös und sperrte den Mund auf, begriff aber nicht recht, was los war. – Er war ein guter Mann… hat mich nie geschlagen… jammerte sie wirr. Etwas in

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