Trainspotting: Roman (German Edition)
ihn herum. Diese Ausgelassenheit schien oft verlockend nah; er konnte sie sehen, überall um sich herum. Sein Kopf war wie ein grausames Gefängnis, in dem seine Seele zwar ab und zu die Freiheit sehen durfte, aber nicht mehr.
Stevie nahm einen Schluck aus seiner Bierdose und hoffte darauf, daß er die Nacht hinter sich bringen konnte, ohne allzu viele Leute zu deprimieren. Frank Begbie war das Hauptproblem. Es war seine Wohnung, und er war wild entschlossen, daß alle sich amüsierten.
– Ich hab ne Karte für dich für das Fußballspiel heut abend, Stevie. Nichts wie drauf auf die Ärsche von Hearts-Fans.
– Kuckt denn keiner im Pub? Ich dachte, es kommt über Satellit.
Sick Boy, der eine kleine Dunkelhaarige angebaggert hatte, die Stevie nicht kannte, drehte sich zu ihm um.
– Scheiße, Stevie. Ich sag dir, du hast dir da unten in London n paar üble Sachen angewöhnt. Ich find Fußball im Fernsehen einfach zum Kotzen. Das is doch wie mitm Gummi ficken. Verdammter sicherer Sex, verdammter sicherer Fußball, alles verdammt sicher. Bauen wir doch ne hübsche kleine sichere Welt um uns rum, lästerte er und verzog das Gesicht. Stevie hatte schon ganz vergessen, wie gereizt Sick Boy immer war.
Rents stimmte Sick Boy zu. Das war ungewöhnlich, fand Stevie. Sonst machten sie sich immer gegenseitig fertig. Sagte der eine Zucker, sagte der andere Scheiße.
– Fußball in der Glotze gehört verboten, damit die faulen fetten Säcke den Arsch hochkriegen und zum Spiel gehen.
– Überredet, meinte Stevie resigniert.
Die Einigkeit zwischen Rents und Sick Boy hielt nicht lang.
– Quatsch du von Arsch hochkriegen. Mister Dauerglotzer persönlich. Wenn du mal zehn Minuten vom Äitsch runterbleibst, schaffst dus vielleicht in dieser Saison, zu mehr Spielen zu gehen als in der letzten, spottete Sick Boy.
– Du tickst doch wohl nich richtig, du Arsch… Rents drehte sich zu Stevie und wies verächtlich mit dem Daumen in Richtung Sick Boy. – Früher ham se den Typen Boots gerufen, wegen der ganzen Drogen, die er mit sich rumschleppte.
Und so ging es weiter. Früher hätte Stevie seinen Spaß daran gehabt. Heute ermüdete es ihn nur noch.
– Weißte noch, Stevie, im Februar wohn ich ne Weile bei dir, sagte Rents zu ihm. Stevie nickte grimmig. Er hatte gehofft, Rents hätte es vergessen oder würde es auf sich beruhen lassen. Rents war ein Kumpel, aber er hatte ein Problem mit Drogen. In London würde er sofort wieder drauf sein und sich mit Tony und Nicksie zusammentun. Sie gingen andauernd Scheinadressen durch, wo sie die Schecks von der Stütze abgreifen konnten. Rents arbeitete irgendwie nie, schien aber immer Geld zu haben. Bei Sick Boy wars das gleiche, aber der behandelte anderer Leute Geld, als sei es sein eigenes, und sein eigenes genauso.
– Party bei Matty nachm Spiel. In seiner neuen Wohnung in der Lorne Street. Und seid pünktlich, rief Frank Begbie zu ihnen hinüber.
Schon wieder eine Party. Stevie kam das schon fast wie Arbeit vor. Neujahr geht einfach immer so weiter. Ab dem vierten Januar wurde es langsam weniger, und die ersten Lücken zwischen den Partys tauchten auf. Diese Lücken wurden immer größer, bis sie normale Wochenlänge erreichten, und dann fanden die Partys nur noch am Wochenende statt.
Weitere Neujahrsgäste trafen ein. Die kleine Wohnung war brechend voll. Stevie hatte Franco noch nie so locker erlebt. Er hatte Rab McLaughlin, Second Prize, wie sie ihn nannten, noch nicht mal zusammengeschissen, als der hinter Begbies Vorhänge gepinkelt hatte. Second Prize war seit Wochen sturzbetrunken. Für Leute wie ihn war Neujahr eine willkommene Tarnung. Seine Freundin Carol war aus Wut über sein Verhalten abgehauen. Second Prize hatte nicht mal bemerkt, daß sie überhaupt dagewesen war.
Stevie wanderte in die Küche, wo es ruhiger war und er zumindest die Chance hatte, das Telefon klingeln zu hören. Wie ein Yuppie-Geschäftsmann hatte er bei seiner Mutter eine Liste mit Telefonnummern hinterlassen, wo er am besten zu erreichen war. Die konnte sie Stella geben, falls sie anrief.
In der häßlichen Scheune von Pub in Kentish Town, da, wo sie normalerweise nie was trinken gingen, hatte Stevie Stella gesagt, welche Gefühle er ihr gegenüber hegte. Er hatte sein Herz offengelegt. Stella hatte gesagt, sie müsse darüber nachdenken, daß es sie völlig überrasche und daß es im Augenblick einfach zuviel für sie sei. Sie sagte, sie werde ihn anrufen, wenn er wieder in Schottland
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