Trallafitti: Kriminalroman (German Edition)
Kaffee. »Ich möchte mir nicht ausmalen, wie es sich anfühlt,
das eigene Kind zu verlieren.«
»Ich habe
keine Kinder.« Es klang wie eine Rechtfertigung. »Warum kommen Sie mit einer solch
alten Geschichte?«
»Ich habe
ein Foto von ihr in Arthurs Brieftasche gefunden.«
»Sie haben
ihn durchsucht?« Ein düsterer Schatten legte sich über seine Augen.
»Ich wollte
fühlen, ob sein Herz noch schlägt. Da war die Brieftasche im Weg.«
»Sagen Sie
mir jetzt bitte nicht, dass Sie ihn beklaut haben.«
Ich stand
auf.
»War nur
ein Witz!«
Ich glaubte
ihm nicht, setzte mich aber trotzdem wieder. »An das Foto war ein Notizzettel mit
meiner Adresse geheftet. Deswegen glaube ich, dass das, was er von mir wollte, mit
Theresa zu tun haben muss.«
»Er hatte
Ihre Adresse bei sich?«
»Ich habe
Sie nicht angelogen. Ich kannte Arthur Brülling nicht. Ich habe ihn nie zuvor gesehen.«
Ein wenig
angesäuert nippte er an seinem Kaffee.
»Was denken
Sie?«
Er ließ
die Tasse auf der Untertasse nieder. »Zu Theresa kann ich nichts sagen. Das Einzige,
was mich an ihren Tod erinnert, waren die beiden Krankschreibungen ihrer Onkel nach
der Beerdigung.«
»Ihrer Onkel?«
Er lehnte
sich zurück. »Die Brüllings gehören zu den traditionellen Polizeidynastien in Bochum.
Würde man es negativ behaften, könnte man sagen, sie seien wie eine Seuche, die
alles infiltriert. Aber der Name Brülling stand auch schon immer für Scharfsinn.
Jeder zweite Brülling war am Ende seiner Karriere Dezernatsleiter. Ich habe bereits
mit zwei von ihnen zusammengearbeitet. Guido und Wolfgang.«
»Und Arthur?«
»Arthur
war eine der wenigen Ausnahmen bei den Brüllings, die der Polizei den Rücken gekehrt
haben. Er verweigerte den Grundwehrdienst, heiratete diese Altruistin und machte
einen Ökoladen auf.«
»Das klingt
nicht danach, als hätten Sie ihn gemocht.«
»Wie gesagt,
ich kannte ihn nur flüchtig. Ich habe mir kein Urteil über ihn gebildet.«
Ich schlürfte
am Tassenrand, nicht ohne zu bemerken, dass Ansmann mich eingehend beobachtete.
Er trug einen braunen Wollpullover mit V-Ausschnitt, aus welchem glücklicherweise
keine Brusthärchen ragten. Zwangsläufig fragte ich mich, wie viele Haare er auf
der Brust hatte. Und ob er sie regelmäßig rasierte.
»Werden
Sie nun aufhören, andere Leute über mich auszufragen, Herr Ansmann?«
»Auch wenn
Sie es nicht glauben, Frau Roloff, aber ich habe es nicht auf Sie abgesehen.«
»Was werden
Sie jetzt tun?«
»Warten.«
»Und wenn
die Obduktion keine Ergebnisse bringt?«
»Dann werde
ich nachdenken.« Er schlürfte noch einmal aus seiner Tasse, ehe aufstand, in seiner
Brieftasche herumwuselte und einen Zehner auf den Tisch warf. »Es wäre schön, wenn
Sie in der Zwischenzeit die Ohren aufsperren würden.«
»Ich wollte
morgen früh den Weltladen besuchen«, sagte ich.
»Gut. Lassen
Sie es mich wissen, wenn sich daraus etwas ergibt.«
»Heißt das
etwa, Sie wollen mich engagieren?«
»Klang es
etwa so?« Er lächelte. Dann nickte er mir zu und ging.
Ich wusste nicht, ob Anastasios
gelauscht hatte. Doch kaum hatte mir Ansmann den Rücken gekehrt, tauchte er auch
schon aus dem Hintergrund auf. Unter seine Achsel hatte er einen Stapel Zeitungen
geklemmt, der so dick war, dass er seine Hand nicht mehr in die Hosentasche stecken
konnte. Er setzte sich mir gegenüber. Seine Stadtspiegel-Sammlung legte er auf den
Tisch.
Ich schob
ihm Ansmanns Zehner hin. »Reicht der Rest für eine Pizza?«
Er musterte
den Schein, als müsse er erst die Seriennummer identifizieren. »Aber ohne Oliven
oder Parmaschinken.«
»Ich hasse
Oliven«, sagte ich und wies auf die Zeitungen. »Sind die für mich?«
»Ich dachte,
dich würde interessieren, was bei uns so los war in der Zwischenzeit.«
»Mein Chef
sagt, wegen Gregor hätte ihm die Presse ordentlich Trallafitti an den Hals gehangen.«
»Mit Gregor
meinst du wohl deinen dauerbesoffenen bärtigen Freund.« Er zuckte mit den Schultern.
»Also hier war’s ruhig. Und Zeitungen lese ich sowieso nie.«
Ich war
es leid, Anastasios noch einmal zu informieren, dass Gregor mittlerweile trocken
war. Ohnehin könnte sich dies nach den letzten Vorfällen auch geändert haben.
»Aber Tote
gab es auch so – ohne dich«, sagte er, stand auf und ging.
8.
Als ich die Augen aufschlug, war
es kurz nach zwei Uhr morgens. Der Mantel der Nacht hatte sich längst über Hamme
und das restliche Deutschland ausgebreitet, fette reife Wolken deckten
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