Trallafitti: Kriminalroman (German Edition)
Grundwehrdienst
verweigerte, um wildfremden Omis die faltigen Ärsche abzuwischen.«
»Zivildienst
ist eine heroische Alternative. Zu so etwas ist nicht jeder imstande. Ich beispielsweise
könnte das nicht.«
»Könnten
Sie es auch nicht, wenn Sie mit Waffengewalt dazu gezwungen werden?«
»Dann wahrscheinlich
schon«, gab ich zu.
»Sehen Sie.
Der Krieg nimmt keine Rücksicht auf Pazifisten. Scheiß auf die ganzen Emanzipationswellen
und Feministinnenbewegungen. Da, wo es wehtut, nämlich im Krieg, sind es die Männer
an der Waffe, die unsere Frauen und Kinder retten. Die, die sich nicht trauen, den
Abzug zu drücken, werden niedergeschossen und überlassen ihre Familien dem grausigen
Schicksal der Misshandlung, Ausbeutung und dem Tod.«
»Sie kommen
vom Thema ab«, sagte ich schnell und leicht angenervt, wohl wissend, dass jedes
Veto sowieso nur mit weiteren Gegenargumenten niedergeschmettert würde. Das, was
da aus ihm herauskam, war ganz offensichtlich nicht nur eine Meinung. Es war eine
Lebensphilosophie.
»Dass Arthur
nicht in den Polizeidienst eintreten würde, löste bei unserem Vater natürlich keine
Welle der Begeisterung aus. Jeder Brülling leistete bisher seinen Dienst bei der
Polizei, beim Bundesgrenzschutz oder der Bundeswehr ab. Warum sollte man es auch
nicht tun? Allein der Name Brülling verschaffte einem Vorteile und einen Vorsprung
gegenüber Kollegen. Arthur hingegen wollte die Welt auf seine eigene Weise retten.
Meine Mutter, Gott habe sie selig, mochte das. Wir Kinder lachten ihn aus.«
Ich konnte
mir nicht helfen, doch sofort empfand ich Sympathie für die Mutter.
»Das ist
alles lange her«, sagte Brülling. »Arthur machte sein Abi, studierte BWL und heiratete
Ilona, eine Düsseldorfer Bankierstochter. Die beiden schienen wie füreinander geschaffen.
Die gleichen philanthropischen Wesenszüge, die gleichen Visionen hinsichtlich Ökologie
und Umweltschutz. Gemeinsam zogen sie ein paar kleinere Aktionen und Projekte auf,
verkauften Fair-Trade-Produkte und warben auf dem Stadtparkfest oder dem Sparkassenjubiläum
für den Erlass der Schulden von Drittländern. Bei Menschenrechtsthemen war Ilona
auf dem Anti-Beschneidungstrip. Arthur war mehr wirtschaftlich aktiv. Er machte
in der Stadt einen Dritte-Welt-Laden auf. Weil der Laden aber nicht den verschwenderischen
Lebensstil der beiden finanzieren konnte, musste Ilona ihrem Vollzeit-Halsabschneiderjob
bei der Bank weiterhin nachgehen. In den 90ern fand das philanthropische Gehabe
schließlich seinen Höhepunkt, als Arthur beschloss, das Leid direkt an der Wurzel
zu packen und als Entwicklungshelfer für eine Weile nach Afrika zu gehen.«
»Geht das
denn so einfach?«
»Natürlich
nicht. Institutionen wie die GIZ betreiben eine Erbsenzählerei nach dem Aschenputtelprinzip,
wonach nur die geeignetsten Leute zu Entwicklungsprojekten gerufen werden. Und Arthur
war nicht dumm. Er hat sich Jahre Zeit genommen, um sich auf die Bewerbung vorzubereiten.
Und er hatte gespart. Die GIZ schickte ihn nach Nairobi.«
Prompt drängte
sich mir das vermeintliche Urlaubsfoto aus Afrika auf Ilona Brüllings Sideboard
ins Gedächtnis. »Was ist mit Theresa?«, fragte ich. »Ilona war außer sich vor Wut,
als ich auf sie zu sprechen kam.«
»Das wundert
mich nicht. Das Kind starb an einer tuberkulösen Meningitis, die sie sich in Nairobi
eingefangen hat. Damals war sie zwölf. Ilona hat Arthur dafür die Schuld gegeben.«
Also doch.
»Aber was
macht eine Zwölfjährige in Kenia? Das Mädchen musste doch zur Schule gehen.«
»Sie war
nur während der Sommerferien dort. Währenddessen zeigte sie angeblich keine Symptome.
Lebensbedrohlich wurde ihr Zustand erst zwei Monate später in Deutschland.«
Ich schluckte.
Kein Wunder, dass die Ehe daran zerbrach. Ich wollte mir nicht ausmalen, wie es
für eine Mutter sein musste, dem eigenen Kind beim Sterben zuzusehen. »Ich dachte,
Tuberkulose wäre mittlerweile ausgerottet.«
»Auf gar
keinen Fall. Sie ist eine Seuche und neben AIDS die häufigste Todesursache in Afrika.
In Deutschland gibt es ein paar tausend Fälle jährlich. Mit ausreichend Antibiotika
und ärztlicher Fürsorge ist die Krankheit relativ gut in den Griff zu bekommen.
Die Behandlung jedoch ist langwierig und für Menschen in den Drittländern unbezahlbar.
An Impfstoffen, die man unter das Volk bringen könnte, hat man sich versucht, jedoch
erfolglos.«
»Aber wenn
Theresa in Deutschland erst richtig erkrankte, hätte man ihr doch noch helfen
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