Trallafitti: Kriminalroman (German Edition)
geschaut?«
Er machte
eine halbe Drehung, humpelte durch die Tür ins Treppenhaus und nahm seinen Gehstock
auf. Dann kam er zurück. Als ich nach dem Lichtschalter ausholte, hielt er mich
mit einer Handbewegung davon ab. »Kein Licht anschalten, das man von draußen sieht.«
»Warum nicht?«
»Arthur
sagte mir, er fühlte sich verfolgt. Ich möchte ganz sichergehen.« Brülling sprach
mit einem ausgeprägten Bass.
Ich schloss
die Tür hinter ihm. »Gehen wir ins Schlafzimmer. Ich mache dort nie die Rollläden
runter, also haben wir etwas Licht.«
Ich tappte
durch die Dunkelheit und hörte Brüllings vollgeregneten Schuhe, wie sie hinter mir
her quatschten. Ich setzte mich aufs Bett, ohne das Licht einzuschalten. Das Weckerlicht
bemalte meine Hausschuhe am Bettrand mit einem Neonglanz, der Mond kroch vorsichtig
aus einem Wolkendickicht hervor und schimmerte durchs Fenster. Brülling setzte sich
neben mich. Er roch nach feuchtem Laub, Regenwasser und Erde. Das Mondlicht streifte
sein Gesicht und ich konnte ein paar Konturen erkennen. Sie ließen keinen Schluss
auf sein Alter zu, doch aus der sich zurückbildenden Haarpracht schloss ich, dass
er älter als Arthur war. Gewisse Züge, wie seine ausgeprägte Hakennase und sein
spitzes Kinn räumten jeden Zweifel, er könnte nicht mit ihm verwandt sein, aus.
»Was ist
passiert?«, fragte ich.
»Arthur
rief mich vor einer Woche an. Er brauchte Hilfe, allerdings von niemandem aus der
Familie. Er wollte nicht sagen, worum es ging.«
»Und dann
haben Sie ihn an mich weiterverwiesen?«
»Ich habe
von Ihnen in der Zeitung gelesen.«
Ich glaubte
ihm nicht. »Hat Ansmann Sie geschickt?«
»Edgar hat
keine Ahnung, dass ich hier bin. Und das soll auch so bleiben.«
»Was soll
das heißen? Hier in Bochum oder hier in meiner Wohnung?«
Stutzig
sah er mich an. »Ich war nie weg. Was glaubt er denn, wo ich sei? An der Mosel?«
Ich nickte,
was er wiederum mit einem stummen Kopfschütteln quittierte.
»Was wollen
Sie hier?«, fragte ich direkt heraus.
»Ich will
wissen, was Arthur Ihnen noch erzählen konnte.«
»Und wenn
ich es Ihnen nicht verraten will?«
Er sah mich
eindringlich an, als würde er versuchen, im Dunkel meine Augenfarbe zu erkennen.
»Er war schon tot, als Sie ihn fanden, oder?«
Ich nickte.
Mit einem
lauten Seufzer strich er sich durch die Haare. »Was ist mit Edgar? Sie haben mit
ihm gesprochen«, fuhr er fort. »Wie ist der Stand der Ermittlungen?«
Woher zum
Teufel wusste er das?
»Es gibt
keine Ermittlungen. Arthur ist an einem Herzanfall gestorben.«
Er sah mich
an, als wäre ich nicht ganz bei Trost.
»Ansmann
hat allerdings eine Obduktion erwirken können. Er glaubt nicht an einen Herzanfall.«
»Und was
glauben Sie?«, fragte er mich.
Ich rieb
mir die verschlafenen Augen. »Ich wünschte, es wäre einer.«
»Möchten
Sie lieber aussteigen?«
Ich hob
die Schultern. »Aussteigen? Woraus denn? Bin ich denn schon irgendwo ›drin‹?«
»Ich weiß,
dass Sie bei Arthur zu Hause waren und Ilona besucht haben.«
»Woher wissen
Sie das alles? Beschatten Sie mich etwa?«
»Sagen wir
es mal so: Ich passe auf.«
Da war er
wieder, der vermaledeite Beschützerinstinkt. »Ich habe versucht herausfinden, warum
Arthur bei mir war.«
»Niemand
außer ihm wusste das.«
»Dann ist
die Sache wohl hoffnungslos.«
»Nein. Sie
sollten sich nur ein bisschen mehr Mühe geben.«
»Wozu? Ich
tue das zu meinem Privatvergnügen. Kein Auftraggeber, keine Überstunden, kein Geld.
Oder möchten Sie mich etwa engagieren?«
»Ich tue,
was nötig ist«, sagte er sofort.
Ich rückte
von ihm weg, setzte mich auf mein Kopfkissen und streckte die nackten Füße unter
die noch warme Bettdecke. »Über die Konditionen unterhalten wir uns noch.« Wenn
ich Chef meiner eigenen Detektei geworden bin, dachte ich. »Bevor wir weitermachen,
würde ich allerdings gerne ein paar grundlegende Dinge wissen.«
Er drehte
seinen Oberkörper in meine Richtung. Der Kragen seines Mantels war vom Regen aufgeweicht.
»In Ordnung. Was wollen Sie wissen?«
»Erzählen Sie mir von Arthur. Und
fangen Sie am besten ganz von vorn an.«
Guido Brülling
atmete tief ein, was mich erahnen ließ, wie weit vorn er bereit war, anzufangen.
Ich zog die Decke über die Knie. »Arthur war mein jüngster Bruder und schon von
Kindesbeinen an Pazifist. Was einer Karriere als Polizist natürlich nicht entgegenstand«,
fügte er schnell hinzu. »Aber diese Neigung ging so weit, dass er sogar den
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