Trallafitti: Kriminalroman (German Edition)
Rockschlager,
sprich: Roger Whittaker.
Ansmann
suchte uns einen muckeligen Fensterplatz fernab der säuselnden Lautsprecher aus.
Die Vorhänge dufteten nach Zigarettenqualm und Knoblauch, am Tischrand haftete ein
versteinerter Käsefleck. Anastasios stand hinter der massiven Bar und drückte die
Gläser ins Spülbecken, dass es nur so spritzte. Er sang Vokale. Die Tür hinter ihm
spuckte eine Kellnerin aus, die ich nie zuvor gesehen hatte. Dem ersten Anschein
nach war sie Türkin, konnte aber genauso gut aus dem Nahen oder Mittleren Osten
sein.
»Ciao, prego«,
sagte sie in verteufelt schlechtem Italo-Dialekt. »Du wolle bestellen, eh?« Sie
drückte die Fingerspitzen ihrer rechten Hand zusammen und ließ die Hand vor- und
zurückbaumeln.
»Altobelli«,
staunte ich.
Sie sah
in die Falten des müffelnden Vorhangs, woraus ich schloss, dass sie nachdachte.
Dann beugte sie sich vor und blätterte durch die Speisekarte, die sechsseitig war,
weil Anastasios sie in Schriftgröße 24 drucken ließ. Für die alten Leute.
»Haben wir
nicht«, stellte sie fest.
Ansmann
verkniff sich ein Grinsen. Anastasios schüttelte schweigend den Kopf.
»Dann nehme
ich einen Latte macchiato.«
Sie nickte
Ansmann zu.
»Kaffee«,
sagte er. »Einfach nur Kaffee.«
Die Pseudo-Südeuropäerin
verließ unseren Radius.
Ich begann
das Gespräch. »Und? Was hat Arthur Brülling nun getötet?«
»Keine Ahnung.«
»Seiner
Witwe und seinen Nachbarn haben Sie gesagt, er sei an einem Herzanfall gestorben.«
»Wozu fragen
Sie mich dann noch?«
Ich lehnte
mich zurück. »Weil Sie hier mit mir sitzen und meinen Latte macchiato bezahlen.
Ein 08/15-Herzanfall hätte Sie doch kaltgelassen.«
»Das mag
sein. Aber ich kannte Arthur.«
»Flüchtig«,
ergänzte ich.
»Gut genug,
um mir Sorgen zu machen.«
»Sorgen
weswegen?«
»Leute sterben
bei Ihnen nicht einfach so.«
Ich schnaubte.
»Für was halten Sie mich? Einen Todesengel? Die Sensenfrau?«
»Sie müssen
selbst zugeben, dass das Ganze äußerst eigenartig aussieht. Noch dazu ein Brülling.«
Der Schatten
einer Gänsehaut streifte meinen Rücken. »An dem Verschwinden von Guido Brülling
trage ich keine Verantwortung.«
Entspannt
lehnte er sich zurück. »Guido Brülling ist nach dem Brand untergetaucht. Er hat
die Stadt verlassen. Ich spekuliere auf irgendwas an der Mosel. Da hat er schon
immer gerne Urlaub gemacht.«
»Sie kennen
ihn?«
»Vom Polizeidienst.
Ein Schuss in den Oberschenkel vermasselte ihm die restliche Karriere und er machte
nach ein paar Jahren als Detektiv weiter.«
»Das totale
Klischee also«, sagte ich. »Warum haben Sie mir das nicht früher erzählt?«
Er zuckte
mit den Schultern. »Sie waren in Urlaub.«
Es klang
noch nicht einmal nach einer faulen Ausrede.
Ansmann
atmete tief durch und rutschte sich seinen Hintern zurecht. Was immer er sagen wollte,
es schien ihm äußerst schwerzufallen. »Arthurs Leiche wird im Augenblick obduziert.
Es war nicht einfach, die Genehmigung vom Staatsanwalt zu bekommen, weil der Arzt
nach wie vor darauf plädiert, dass es ein 08/15-Herzanfall war. Wenn sie im Institut
nichts finden, wird die Akte geschlossen und Arthur zur Beerdigung freigegeben.«
»Und was
hoffen Sie zu finden?«
»Ich glaube
nicht an einen Infarkt«, sagte er. »Doch mir sind die Hände gebunden. Alle Indizien
sprechen dagegen.«
»Das erklärt,
warum Sie den Nachbarn nicht Ihren Dienstausweis gezeigt haben.«
»Ich will
die Nerven des Staatsanwalts nicht unnötig strapazieren.«
Die Nahöstlerin
kam mit einem Tablettchen und zwei Tassen an den Tisch und stellte uns das Porzellan
vor die Nasen.
»Aber ich
habe einen Latte macchiato bestellt«, sagte ich.
»Prego.
Alle Macchiato-Gläser schmutzig. Das ist Cappuccino. Das Gleiche wie Latte macchiato,
nur in Tasse.«
Ansmann
streute Zucker in seinen Kaffee. »Ich habe genug geredet. Es wäre schön, wenn Sie
auch etwas zu der Sache beitragen könnten.«
Fast wollte
ich mir die Ohren auswaschen. Denn im Augenblick hörte es sich ganz danach an, als
würde er mich darum bitten . Ich lehnte mich vor. Einen Versuch war es wert.
»Kennen Sie Theresa Brülling?«
Er hob die
Brauen. »Nein.«
Dies wiederum
überraschte mich. »Arthurs Tochter.«
»Ich kann
mir nicht alle Namen merken«, erklärte er sich. »Was ist mit ihr?«
»Sie ist
tot.«
Er nickte.
»Ich erinnere mich. Hirnhautentzündung. Das war Ende der 90er. Sie war noch nicht
einmal ein Teenager.«
Ich rührte
den Milchschaum unter den
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