Trallafitti: Kriminalroman (German Edition)
Brülling
hatte eine Tochter.
Eine tote
Tochter.
Ein ungutes
Gefühl spülte bei dem Gedanken an das abrupte Ende der Unterhaltung durch meine
Eingeweide. Welche Wunde hatte ich da bloß aufgerissen? War das Mädchen erst kürzlich
gestorben? War Arthur Brülling vielleicht mitverantwortlich für ihren Tod? Dies
würde Ilona Brüllings rasante Art erklären, meinen Versuch, eine Verbindung zwischen
Arthur und Theresa zu stricken, im Keim zu ersticken. Und es wäre ein mögliches
Motiv, einen Detektiv aufzusuchen. Sprich: Arthur fühlte sich unschuldig am Tod
des Mädchens und brauchte Beweise, um seine Weste reinzuwaschen.
Und da waren
sie wieder, die Beweise .
Was zum
Teufel hatte Ilona Brülling nur damit gemeint?
Ich öffnete
die Autotür und ließ mich in den tiefen Fahrersitz fallen. Prompt zitterte das Handy
in meiner Arschtasche. Es war eine Textnachricht von Metin. Der Vermieter des Ladenlokals
würde morgen früh um neun bei ihm zu Hause aufschlagen und ich wäre dringlich dazu
angehalten, meinen ›gottverdammten, schmierigen und erpresserischen Arsch‹ ebenfalls
dorthin zu bewegen.
Klang ganz
danach, als würde sich Metin auf den Deal einlassen.
Ich warf
das Telefon auf den Beifahrersitz, drehte den Zündschlüssel um und steuerte den
Scirocco in Richtung Autobahn. Auf der Lichtgeschwindigkeitsspur der A 59 kreisten
meine Gedanken um die kleine blonde Theresa einige Zentimeter unter dem Glasdach
und schienen Kerben in die Scheibe zu schneiden. Dann begann mein Telefon den Beifahrersitz
zu massieren und wollte gar nicht mehr aufhören. Ich sah auf das Display. Eine unterdrückte
Nummer.
»Ilona Brülling
hat mich gerade angerufen. Sie war völlig außer sich.«
Ich verdrehte
die Augen. »Ich habe nichts Verwerfliches getan oder gesagt. Sie hat mich einfach
rausgeworfen.«
»Was wollten
Sie von ihr?«, fragte er.
»Das Gleiche
könnte ich Sie fragen.« Ich machte eine Pause. »Sie und Arthur Brülling kannten
sich von früher.«
»Flüchtig«,
gab Ansmann zu.
»Sie sagte,
Sie seien eng befreundet gewesen.«
»Nein. Nicht
mit ihm.« Zu meiner Überraschung schien sein Blutdruck diesmal nicht in astronomische
Höhen zu schießen. »Wie sieht’s aus? Sind Sie mittlerweile bereit zu reden?«
»Wollten
Sie mich nicht vorladen?«, fragte ich.
»Nein.«
Er flüsterte fast. »Keine Vorladung.«
Mit einer
Hand drehte ich am Lenkrad und wechselte auf die A 46. Einige hundert Meter weiter
entwickelte sich der Verkehr zu einem zähen Brei aus Bremslichtern und Rückleuchten.
Wasser wurde aufgewirbelt und hing wie dichter Nebel über der Straße. Ein paar Steinwürfe
voraus schleppte sich ein Streifenwagen über den Fahrstreifen. Langsam ließ ich
das Handy los und von meinem Ohr in den Schoß hinunterplumpsen.
Irgendetwas
war anders. Und ich war mir sicher, es hatte mit Ansmanns Intonation zu tun.
Ich drückte
das Handy wieder an mein Ohr. »Ich kann jetzt nicht reden. Ich bin in einer Dreiviertelstunde
im Präsidium.«
»Nein, nicht
auf dem Präsidium«, erwiderte er sofort. »Ich komme zu Ihnen nach Hause.« Dann legte
er auf.
Mir blieb keine Zeit, den unansehnlichen
Wäschehaufen im Flur hinter irgendeiner Tür verschwinden zu lassen und Klarschiff
zu machen, da Ansmann mich vor dem Haus bereits erwartete. Als er mich sah, nahm
er sein Handy vom Ohr.
»Ich kann
Ihnen nichts anbieten. Ich habe noch nicht eingekauft«, sagte ich sofort.
»Möchten
Sie lieber bei Marinelli einen Kaffee trinken?«
»Marinelli?«
»Adolfo
Marinelli, Begründer vom Adolfo’s. Ein Baum von einem Mann. Und ein echter Italiener.«
Er wies auf die Restauranttür. »Die drei Stooges hier haben ihm den Namen abgekauft,
als er sich zurückzog. Der Krebs hat ihm vor drei Jahren den Rest gegeben. Ein guter
Mann. Ich kenne seinen Sohn.«
Überrascht
hob ich die Brauen. »Also gut, meinetwegen. Aber nur, wenn Sie bezahlen.«
Mit den
drei Stooges hatte Edgar Ansmann jene Männer gemeint, die das Adolfo’s gegenwärtig
betrieben. Keiner von ihnen war Italiener. Das antiquarische Inventar versprühte
dennoch eine altitalienische Romantik: Schwere Vorhänge, karierte, von Bleichmitteln
abgewrackte Tischdeckchen und bis zum Abwinken abgebrannte Kerzen. Ich konnte mir
gut vorstellen, dass hier einst ein rassiger Italiener den Boden gewienert hatte.
Mittlerweile wienerte neben dem Inder und dem zweiten Griechen vorwiegend Anastasios
Galanis den Boden – meist unter Zuhilfenahme deutsch-südafrikanischer
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