Trallafitti: Kriminalroman (German Edition)
wirbelten
eine muffelige Luftschicht auf, als wir die Wohnung betraten. Der Hausmüll war seit
Tagen nicht geleert worden und sämtliche Fenster waren verschlossen. Ich ließ meinen
Blick durch den viereckigen Flur und in alle Zimmer gleiten. Die Wohnung war wesentlich
karger ausgestattet, als ich es vermutet hatte: marodes Laminat in Flur und Wohnzimmer,
PVC in der Küche, weiße Raufaser so weit das Auge reichte. Gregor ging quer durch
den Flur und stellte sich zuallererst im Wohnzimmer auf. Es war hell eingerichtet.
Die Polstergarnitur unter dem Fenster leuchtete polarweiß, ein heller Flokati war
unter dem Schreibtisch auf der anderen Seite des Raumes ausgebreitet. Holzrollos
mit weißen Lamellen waren halb heruntergezogen. Eine Schale mit braun gewordenem
Obst stand auf dem gläsernen Couchtisch. Wenige Bücher im Regal, keine Bilder an
der Wand, mit Ausnahme eines ausgeblichenen Andy-Warhol-Posters. Gregor beugte sich
über den Schreibtisch und schaltete den Computer ein. Dann begann er, in jede im
Raum befindliche Schublade hineinzusehen. Es waren nicht viele. Ich ging in den
Flur zurück. Das matte Herbstlicht, das durch die Wohnzimmerfenster auf den Boden
fiel, reichte kaum aus, um sich genauer umzusehen. Ich schaltete das Licht ein.
Die Garderobe war karg bestückt. Zwei Jacken und drei Paar Herrenschuhe. Die halb
offene Schublade eines dünnbeinigen Telefonsekretärs ohne Telefon quoll über vor
Spickzetteln, Visitenkarten und Post-its. Ich griff hinein und stopfte das gesamte
Material ungeprüft in meine Jackentasche.
Gregor war
mittlerweile dazu übergegangen, sich um die Dateien auf dem Computer zu kümmern.
Ich ließ ihn am Schreibtisch sitzen und ging in den Nebenraum, welcher sich mir
als Arthurs Schlafgemach offenbarte. Auch dieses Zimmer war spartanisch eingerichtet.
Ein grau bezogenes Futon, ein Nachtschränkchen und eine schwedische Fünf-Schubladen-Kommode
mit einem Universum-Röhrenfernseher aus dem Quelle-Versand. Die Tapete hinter der
Glotze war angesengt, das Stand-by-Lämpchen leuchtete. Ich zog die Schublade des
Nachtschränkchens auf, fand aber nichts außer zwei abgegriffenen Taschenbüchern
und einer Packung Schmerztabletten. In der Erwartung, hier weder eine Pizza noch
irgendetwas anderes Außergewöhnliches zu finden, durchwühlte ich seine Kleidung
nur halbherzig.
Daraufhin
verließ ich das Schlafzimmer und schlüpfte durch den nächsten Durchgang linksseitig
der Wohnungstür in die Küche. Sie war ein drei mal drei Meter Quadrat, dessen vier
Wände zur Hälfte von Küchenschränken in Beschlag genommen wurden. Durch das kleine
Fenster drang schwaches Licht und ich konnte in den Garten schauen. Die Schränke
waren klassisch mit buchefarbenem Kunststoff überzogen, die Dunstabzugshaube war
von Fett und Staub verklebt, das Ceranfeld von alten eingebrannten Flecken übersät.
Arthur schien also oft und gerne gekocht zu haben.
Die Spülmaschine
war eingeschaltet, der Spülvorgang abgeschlossen. Ich zog die Schranktür unter der
Spüle auf und ein unsortierter Haufen Altpapier und Pappe kam mir entgegen, obenauf
ein Karton der Pizzeria ›Mama Corleone‹ aus Altenbochum. Ich öffnete die Schachtel.
Ein Fetzen Paprika pappte am Deckel. Wie auf dem Präsentierteller.
Mit dem
Fuß stopfte ich den restlichen Müll in den Schrank zurück und drückte die Schranktür
zu. Dann stach mir ein frei stehender mattsilbrig glänzender Kühlschrank ins Auge.
Ein Platz schluckendes Monstrum, wie ich fand. Doch viel interessanter war das,
was auf ihm stand: Ein ›Jura Impressa J9 One Touch‹-Kaffeevollautomat mit kleinem
TFT-Bildschirm und integriertem Milchaufschäumer. Bunt leuchtende Buchstaben boten
mir Cappuccino, Espresso, Lungo oder Latte macchiato feil, die Chromteile funkelten.
Ich schlich mich an das Gerät heran und widerstand der ersten Versuchung, auf einen
der Knöpfe zu drücken. Stattdessen berührte ich ehrfürchtig die kalten verchromten
Kaffeedüsen. Meine Kinnlade verselbstständigte sich.
Gregor steckte
den Kopf durch die Tür. »Gefällt er dir?«
Erschrocken
zuckte ich zurück. Er trat an mich heran, verschränkte seine Hände hinter dem Rücken
und starrte mit mir gemeinsam den Vollautomaten der Extraklasse an.
»Machst
du Witze?« Ich flüsterte fast. »Er ist erste Sahne.«
»Dann nimm
ihn. Er gehört dir.«
Ich riss
die Augen auf. »Bist du wahnsinnig? Das ist doch Diebstahl! Noch dazu an einem Toten.«
»Du solltest
es tun, bevor die zahlende Meute kommt, um sich
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