Trallafitti: Kriminalroman (German Edition)
alles unter den Nagel zu reißen.«
Ich schluckte.
»Du willst alles verkaufen?«
Er nickte
kaum merklich. »Sobald ich alles sortiert und sondiert habe, werde ich einen Nachlassverwalter
einschalten. Und alles, was nicht verwertet, verschenkt oder verkauft wird, landet
innerhalb einer Woche auf der Kippe.«
So lange
dauerte es also, um ein Leben mit all seinen Andenken zu vernichten. Ich sah es
Gregor an, dass er sich mit diesem Gedanken ebenso wenig anfreunden konnte.
Ich betrachtete
die Maschine. Eine ›Jura Impressa‹; die C-Klasse unter den Kaffeevollautomaten:
schnell, geschmeidig, schön. Sie wäre eine luxuriöse Bereicherung für die Detektei.
Für meine Detektei. Corinna könnte meinen Mandanten Kaffeespezialitäten mit
und ohne Milchschaum servieren, dazu Schlagsahne mit einem Karamell- oder Vanilletopping
obendrauf. Ihr nachtschwarzer Muckefuck aus der Thermoskanne würde endlich der Geschichte
angehören.
Ich spürte
meine Mundwinkel, wie sie sich zu einem Grinsen hinaufbewegten, während Gregor langsam
aus meinem Blickfeld verschwand und sich zurück ins Wohnzimmer hinter den Monitor
verdünnisierte. Doch diesmal folgte ich ihm, den Pizzakarton unter den Arm geklemmt,
und schaute ihm über die Schulter. Wieder roch ich sein Aftershave und dessen Bemühungen,
gegen den strengen alteingesessenen Nikotingeruch anzukämpfen. Es funktionierte,
wenn auch nur bedingt. Ich beugte mich vor und linste auf den Bildschirm. Zwar sah
ich Gregors Augen nicht, spürte jedoch, dass er zu meinen Brüsten herüberlinste.
»Irgendetwas
gefunden?«, fragte ich.
»Nichts
Wesentliches«, seufzte er nur und schubste die Computermaus fort.
»Was ist
das?« Ich zeigte auf einen digitalen Ordner, den er zuvor durchforstet haben musste,
da er geöffnet war. Er beinhaltete lauter Miniaturabbildungen digitaler Fotos.
»Arthurs
Familienalbum«, erklärte er.
Ich streckte
den Arm aus und griff nach der Maus, was zur Folge hatte, dass Gregor von meiner
Brust berührt wurde. Mein Zeigerfinger machte einen Doppelklick auf das erstbeste
Bild und ein Standardprogramm öffnete sich. Dann gab ich einem Icon einen Hieb mit
dem Mauszeiger und startete die Diashow. Die Bilder ähnelten den Aufnahmen, welche
ich schon bei Ilona gesehen hatte: Arthur mit Strohhut, Ilona leichtbekleidet vor
einer steppenartigen Landschaft. Arthur breit grinsend vor einem Blauhelm-Lastwagen
voller Reissäcke. Die Bilder waren nicht sonderlich groß und wiesen ein paar Macken
auf, woraus ich schloss, dass sie auf konventionellem Wege entwickelt und irgendwann
nachträglich eingescannt worden waren.
Aus den
Augenwinkeln bemerkte ich, wie sich Gregors Gesichtsausdruck sich zusehends veränderte.
Ich meinte sogar zu sehen, dass er den Tränen nahe war. Der Anblick half, mich daran
zu erinnern, warum wir das Ganze hier veranstalteten. Warum die Familie ihm überhaupt
erlaubte, diese Wohnung zu betreten und Arthurs Habseligkeiten unter die Lupe zu
nehmen. »Es tut mir leid«, sagte ich leise.
Er nickte
nur.
Die Diashow
schubste das aktuelle Bild weg und warf ein weiteres Foto von Ilona Brülling auf
den Monitor, charmant lächelnd und von zwei Kindern eingerahmt. Eines der Mädchen
war Theresa. Ich zeigte auf das Mädchen zu Ilonas Linken, einer Dunkelhaarigen mit
braunen Kulleraugen, Schmolllippen und einer Zahnlücke. »Wer ist das?«
Gregor sah
zu mir hoch und beäugte mich, als sei ich nicht ganz bei Trost. »Das ist Theresa.«
Ich schüttelte
den Kopf. »Nein.« Ich zeigte auf das blonde Kind daneben. »Das ist Theresa.«
»Falsch«,
erwiderte Gregor. »Das ist Martha. Theresas Schwester.«
Ich wusste
nicht, warum ich es fragte. Aber aus irgendeinem Grund hielt ich es für außerordentlich
wichtig. »Lebt sie noch?«
12.
Wie von der Tarantel gestochen irrte
Gregor von einer Zimmerecke in die andere. »Du behauptest also allen Ernstes, dass
Ilona nicht in der Lage war, ihre beiden Kinder auseinanderzuhalten?« Er war ausgesprochen
sauer. Ich verstand aber nicht, warum.
»Ich behaupte
überhaupt nichts. Ich erzähle dir nur, was sie mir gesagt hat.«
»Und du
bist dir sicher, dass du dich nicht geirrt hast?«
»Hältst
du mich für meschugge? Hast du dir die beiden Kinder mal angesehen? Die unterscheiden
sich wie Tag und Nacht!«
Gregor blieb
mitten im Raum stehen und vergrub sein Kinn in seiner Hand. Seine Smaragdaugen durchdrangen
mich, als wollte er meine Gedanken lesen. Dabei war es keine Frage, dass wir dasselbe
dachten: Arthur hatte
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