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Transfer

Transfer

Titel: Transfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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an ihre - momentane - Aufrichtigkeit wirklich glaubte.
    Dieser ganze Unsinn fiel gar nicht ins Gewicht - es blieb nur Aen - die große Schauspielerin.
    Real war etwas mehr als ein Ferntheater: als ich einen Bruchteil der Bühne betrachtete, wurde dieser größer und breiter, der Zuschauer entschied durch eigene Wahl, ob er ein Nahbild oder das Ganze sehen wollte. Dabei wurden die Proportionen dessen, was im Blickfeld verblieb, nicht verunstaltet. Es war irgendeine verteufelt feinsinnige optische Kombination - die eine Illusion von übernatürlichem, wie verstärktem und wachem Leben gab.
    Ich fuhr auf mein Zimmer, nach oben, um meine Sachen zu pak-ken, da ich in einigen Minuten abreisen sollte. Es stellte sich heraus, daß ich weit mehr zu packen hatte, als ich mir vorstellte. Ich war noch nicht ganz fertig, als das Telefon zu singen anfing: mein Ulder war schon bereitgestellt.
    »Komme gleich hinunter«, sagte ich. Der Gepäck-Roboter nahm die Koffer, und eben ging ich aus dem Zimmer, als sich das Telefon wieder meldete. Ich zögerte. Das leise Signal wiederholte sich unermüdlich. >Es soll nicht nach einer Flucht aussehen<, dachte ich und hob den Hörer ab, nicht ganz sicher, weshalb ich es wirklich tat.
    »Bist du das?«
    »Ja. Schon wach?«
    »Seit langem. Was machst du?«
    »Habe dich gesehen. Im Real.«
    »So?« sagte sie nur, doch hatte ich in ihrer Stimme etwas wie Genugtuung gehört. Es hieß: nun ist er mein.
    »Nein«, sagte ich.
    »Was - nein?«
    »Mädchen, du bist eine große Schauspielerin. Aber ich bin etwas ganz anderes, als dir scheint.«
    »Schien es mir wohl auch diese Nacht so?« Sie unterbrach den Satz. In ihrer Stimme schwang Belustigung mit - und plötzlich kam die Lächerlichkeit wieder. Ich konnte kaum davon loskommen; ein Sternenquäker, der schon einmal gefallen war - verzweifelt, streng und züchtig.
    »Nein«, sagte ich, indem ich mich beherrschte, »das schien dir wohl nicht. Aber ich fahre weg.« »In alle Ewigkeit?«
    Sie hatte Spaß an diesem Gespräch.
    »Mädchen«, begann ich und wußte nicht, was ich noch sagen sollte. Einen Moment lang hörte ich nur ihren Atem.
    »Na - und weiter?« fragte sie.
    »Ich weiß nicht«, ich verbesserte mich schnell: »Nichts. Ich fahre eben weg. Das hat ja keinen Sinn.«
    »Sicher hat es keinen Sinn«, gab sie zu, »und kann ja gerade deshalb herrlich sein. Was hast du dir angesehen? Die >Wah-ren
»Nein. >Die Braut<. Hör mal…«
    »Es ist wirklich ein Reinfall. Ich kann es nicht mehr sehen. Das Schlimmste, was ich je gemacht habe. Sieh dir die >Wahren< an, oder nein, komm wieder am Abend. Ich werde es dir zeigen.
    Nein, nein, heute kann ich nicht. Aber morgen.«
    »Aen, ich werde nicht kommen. Ich fahre tatsächlich weg…«
    »Sag nicht Aen zu mir, sag >Mädchen< «, bat sie.
    »Mädchen, der Deibel soll dich holen! !« rief ich, legte den Hörer auf, war schrecklich verschämt, hob nochmals den Hörer ab, legte ihn wieder auf und lief aus dem Zimmer. Als ob jemand hinter mir her wäre. Ich fuhr hinunter, wo es sich herausstellte, daß der Ulder sich auf dem Dach befand. Also fuhr ich wieder nach oben. Auf dem Dach gab es ein Gartenrestaurant und einen Flugplatz. Eigentlich ein Restaurant-Flugplatz, eine Mischung der Ebenen, fliegende Bahnsteige, unsichtbare Fensterscheiben
    - meinen Ulder würde ich hier nicht mal in einem Jahr finden. Aber man führte mich fast an der Hand zu ihm. Er war kleiner, als ich dachte. Ich fragte, wie lange der Flug dauern würde, da ich lesen wollte.
    »Ungefähr zwölf Minuten.« Da lohnte es sich nicht, ein Buch aufzuschlagen. Das Innere des Ulders erinnerte einigermaßen an eine Experimentalrakete: Thermofax, die ich einmal leitete, nur mit mehr Komfort. Aber als sich die Tür hinter dem Roboter schloß, der mir höflich eine gute Reise wünschte, wurden die Wände sofort durchsichtig, und da ich im ersten der vier Sessel saß - die anderen waren unbesetzt-, hatte ich den Eindruck, als flöge ich auf einem Stuhl innerhalb eines großen Glases.
    Sehr lustig, aber das hatte nichts mit einer Rakete oder einem Flugzeug gemein: eher schon mit einem fliegenden Teppich. Das eigenartige Fahrzeug schoß anfangs vertikal hoch, ohne die geringste Vibration, pfiff dabei langgezogen und - wie auf Kommando - flog dann waagerecht. Wieder geschah dasselbe, was ich schon beobachtet hatte: die Beschleunigung der Bewegung war nicht von einer Steigerung der Trägheit begleitet. Schwer zu sagen, was für eine Art von Gefühl

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