Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Transfer

Transfer

Titel: Transfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
Vom Netzwerk:
konntest du! Wie konntest du nur!«
    Ihr Gesicht zitterte, auch ihr Mund, sie war nicht imstande, ein Wort auszusprechen. »I… ich.., mu… mußte…«
    Sie weinte schon wieder. Nur langsam wurde sie stiller, ruhiger. Sie berührte mein Gesicht, die Stirn, und ich wiederholte in einem Atem: »Eri… bist du das?«
    Fieberwahn. Dann, ganz langsam, stand ich auf, sie stützte mich, wie sie nur konnte; wir kamen zur Straße. Erst dort sah ich, wie der Wagen zugerichtet war: der Kühler, das ganze Vorderteil glich einer Ziehharmonika. Der Glider war aber - im Gegensatz dazu - kaum beschädigt - jetzt begriff ich seine Überlegenheit-, mit Ausnahme einer kleinen Vertiefung an der Seite, dort, wo der Zusammenprall erfolgte, sonst nichts.
    Eri half mir einzusteigen, zog den Glider zurück, bis das Autowrack mit einem langanhaltendem Gedröhn von Blech auf die Seite fiel, und fuhr los. Wir fuhren zurück. Ich schwieg, die Lichter flossen vorbei. Mein Kopf wackelte auf der Schulter, immer noch groß und schwer. Vor dem Häuschen stiegen wir aus. Die Fenster waren immer noch erleuchtet, als wären wir selber da drin. Sie half mir hineinzugehen. Ich legte mich aufs Bett. Sie ging an den Tisch, um ihn herum, auf die Tür zu. Ich sprang auf:
    »Gehst du fort?«
    Sie lief zu mir, glitt am Bett auf die Knie und sagte mit ihrem Kopf: »Nein.«
    »Nicht?«
    »Nein.«
    »Und wirst du nie fortgehen?«
    »Nie.«
    Ich umarmte sie. Sie legte die Wange an mein Gesicht, und mich verließ nun alles: die schon verglimmende Glut meiner Starrköpfigkeit, Wut und Irrsinn der letzten Stunden, die Angst, die Verzweiflung. Leer lag ich da, wie tot - drückte sie nur an mich, immer fester, als wären meine Kräfte wiedergekommen. Es
    herrschte Stille, das Licht glitzerte auf den goldenen Wandbehängen des Zimmers. Irgendwo in der Ferne, fast wie in einer anderen Welt, hinter dem offenen Fenster, rauschte der Stille Ozean.
    Es mag ungewöhnlich erscheinen, aber wir sprachen weder an diesem Abend noch in dieser Nacht ein Wort. Nichts. Erst am nächsten Tag, spät, erfuhr ich, wie es gewesen war: als ich wegfuhr, kam sie recht bald dahinter, weshalb, und erschrak, wußte nicht, was sie tun sollte-wollte zuerst den weißen Roboter rufen, begriff aber, daß dies nichts nützen würde. Auch »er« - sie nannte ihn nie anders -, er würde da auch nicht helfen. Vielleicht Olaf.
    Olaf ganz bestimmt. Aber sie wußte nicht, wo sie ihn suchen sollte, außerdem war ja keine Zeit zu verlieren. So nahm sie den Hausglider und fuhr mir nach. Bald hatte sie mich eingeholt und blieb hinter mir, solange es noch eine Chance gab, daß ich nur in das Häuschen zurück wollte.
    »Wärest du ausgestiegen?« fragte ich.
    Sie zögerte. »Ich weiß nicht. Glaube wohl schon. Jetzt denke ich so, aber ich weiß es selbst nicht genau.«
    Dann, als sie merkte, daß ich weiterfuhr, erschrak sie noch mehr. Den Rest kannte ich schon.
    »Nein. Ich verstehe überhaupt nichts«, sagte ich. »Jetzt kann ich noch immer nichts begreifen. Wie konntest du das nur tun?«
    »Ich… ich hab’ mir gesagt, daß da nichts passieren darf.«
    »Und wußtest, was und wo ich es tun wollte?«
    »Ja.«
    »Woher?«
    Nach einer langen Weile: »Ich weiß nicht. Vielleicht, weil ich dich schon ein kleines bißchen kannte…«
    Ich schwieg. Viele Fragen wollte ich noch stellen, traute mich aber nicht. Wir standen am Fenster. Mit geschlossenen Augen, die sich hinter dem Ozean öffnende Weite spürend, sagte ich:
    »Na schön, Eri… aber nun? Was wird nun.., werden?« »Das sagte ich dir schon.« »Aber so will ich es nicht«, flüsterte ich.
    »Anders kann es nicht sein«, antwortete sie nach einer langen Pause. »Und übrigens…«
    »Übrigens?«
    »Will ich nicht.«
    An diesem Abend wurde es irgendwie fast wieder schlimmer.
    Denn dies kam und drängte sich vor, fiel zurück - warum wohl? Keine Ahnung. Sie wußte es wohl auch nicht. Nur in den entscheidenden Augenblicken schienen wir uns näherzukommen, erst dann kannten wir einander und vermochten uns zu verstehen. Und die Nacht. Und noch ein Tag.
    Und am vierten Tag hörte ich sie telefonieren und bekam eine furchtbare Angst. Später weinte sie dann. Aber beim Mittagessen lächelte sie bereits.
    Und so waren dann der Anfang und das Ende. Denn in der nächsten Woche fuhren wir nach Mae, Bezirksmitte, und dort, vor einem weißgekleideten Mann, sprachen wir die Formeln aus, die uns zu einem Ehepaar machten. An demselben Tag telegrafierte ich an Olaf. Am

Weitere Kostenlose Bücher