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Transit

Transit

Titel: Transit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Seghers
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getrockneten Erbsen, der Zucker war Sacharin. Der Spiritus war ein stinkender Ersatzspiritus, doch sein Flämmchen erfüllte unsere entleerten Herzen mit einem Ersatz von Heimat und Herd. Auf unsere Frage erzählten die beiden, sie seien auf dem Wege nach Kolumbien. Der Alte war längst aus Deutschland geflohen, als man sein Gewerkschaftshaus in Brand steckte. Der eigene älteste Sohn war in der deutschen Armee. Man gab ihn für verloren. Der jüngste Sohn hatte einst schlecht getan in der Heimat, man hatte ihm einst das Haus versperrt, da war er damals ausgewandert. Nun war es eben dieser verlorene Sohn, der ihnen sein Haus in Kolumbien öffnete. Wir halfen den Alten, ihr Gepäck zu verstauen. Das Konsulat von Kolumbien öffnete erst um die Mittagszeit. Die Alten setzten sich nebeneinander ans Fenster. Der Alte sah auf die Rue de la Providence. Die Alte begann, seine Socken zu stopfen.
V
    Wir aber, der Legionär und ich, mit gleichfalls vielen Stunden unausgefüllter Zeit, wir zogen die Cannebière entlang von Café zu Café und dann in die Rue Saint-Ferréol. Ich schickte, um ihm eine Freude zu machen, Nadine einen Brief in die Dames de Paris, in dem ich sie bat, sie möchte zu uns herunterkommen. Wie bleich mein Freund wurde, wie er erschrak, als sie sich wirklich an unseren Tisch setzte. Sie ging mit ihm heiter und fröhlich um. Sie blinzelte auf seine Orden, die sie sich aufzählen ließ. Er war verstört und verwirrt. Ich sah, ihm entglitt der Augenblick, ihm fehlten die Worte, er konnte nicht rechtzeitig fassen, daß das, was ihm unerreichbar gedünkt hatte,plötzlich an seinem Tisch war mit großem lachendem Mund.
    Dann zogen wir auf das brasilianische Konsulat. Der Innenraum war genau so leer wie das letztemal, und hinter der Schranke seufzten und jammerten alle Wartenden in die Leere. Der junge Herr kam auch wieder, doch diesmal kam er nur bis zur Mitte des Raumes, denn er war jetzt schon gewitzt. Irgendeiner der Visenanträge, die bei seinem Eintritt über die Schranke zu flattern begannen, von verzweifelten Händen geweht, konnte an ihm haftenbleiben. Er wollte sich rasch zurückziehen, da wurde mein Freund wild, er drückte die Tür in der Schranke ein, er war mit einem Satz innen, er packte den jungen Menschen am Arm, ich war ihm nachgesprungen, und plötzlich warfen sich alle Wartenden in den Innenraum und schrien dem jungen Mann in die Ohren: »Wir müssen mit diesem Schiff abfahren! Wir können nicht länger warten! Wir brauchen das Schiff!« Mein Freund aber hielt den jungen Menschen gepackt, der unerwartet ganz kräftig auf portugiesisch zu fluchen begann, bis aus dem innersten Innenraum des Konsulats nie gesehene, nie geahnte Beamte heraussprangen, die Wartenden zurückdrängten bis auf meinen Freund, der nicht losließ. Auf einmal fingen die Schreibmaschinen zu klappern an, die Visenanträge wurden eingesammelt. Mein Freund bekam Papierstücke in die Hand, wobei man ihm bedeutete, daß er sofort zu dem Arzt des Konsulats fahren müsse, damit er den Nachweis brächte, daß seine Augen gesund seien, er müsse sofort zu diesem Arzt fahren, der nur eben jetzt zu sprechen sei, denn nur mit gesunden Augen dürfte er einreisen. Man drängte ihn hinter die Schranke zurück, aus dem Konsulat hinaus, und wie ich noch einmal zurücksprang, weil ich meine Mütze auf der Schranke hatte liegenlassen, da war der von meinem Freund entfachte Sturm vorbei, die Schreibtische waren unbesetzt, die Beamten hatten sich alle in innere Räume zurückgezogen, die Wartenden seufzten und klagten, weil ihre soebeneingesammelten Anträge in einem einzigen Packen auf der Schranke liegengeblieben waren.
    Wie schief sind ihm seine Sachen gegangen, ihm, der es besser verdient hätte! Er wurde tags darauf demobilisiert. Er legte die Orden in eine Pappschachtel, die Pappschachtel in den Koffer. Dann lud er Nadine ein, mit ihm zu Mittag zu essen. Er kam ziemlich bald zurück, ziemlich traurig. Ihr Lächeln sei kühl gewesen, ihre Heiterkeit höflich; sie habe mit freundlichen Worten ein Wiedersehen umgangen. Er sagte: »Ich habe mich gleich gefragt, warum Nadine gerade auf mich verfallen sollte. Sie hält es vielleicht auch für töricht, sich zu binden, da ich ohnedies bald abfahre. Ich hätte sie glatt mitgenommen.«
    Die Abfahrt des brasilianischen Dampfers war auf das Ende der Woche festgelegt. Er hatte seine Papiere beisammen, er war zur letzten Viseneinzeichnung vorbestellt, sein Billett vorbezahlt. Ich begleitete ihn vor das

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