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Transit

Transit

Titel: Transit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Seghers
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starr dabei. Er sagte schließlich: »Nach Abzug dieser Billettkosten und dem Geld für die Präfektur haben Sie immer noch einen kleinen Haufen Geld dort in Lissabon. Ich rechne Ihnen den Kurs zu sechzig. Ist das in Ordnung? Die Summe, die Sie mir schulden, ist unbeträchtlich, denn diese Fahrt auf dem dreckigen Kahn ist ja billig. Sie unterschreiben mir diesen Schein, daß die kleine Summe von Ihrem Konto in Lissabon auf meines geht.«
    Ich steckte das Geld ein, einen Knäuel Papier. Ich hatte noch nie so viel beisammen gehabt. Dann sagte er: »Sie haben gerade noch Zeit, auf die Präfektur zu fahren. Ich werde hier auf Sie warten. Sie kommen zurück mit demVisa de sortie, wir werden dann mein Billett umtauschen.«
    Er hatte während dieser Minuten, selbst während der Abrechnung und der Unterschrift, mein linkes Handgelenk nicht mehr losgelassen. Es war in seinem Griff verblieben wie in einer Handschelle. Jetzt ließ er es los. Er lehnte sich etwas zurück. Ich sah auf seinen kegelförmigen kahlen Schädel. Die kalten grauen Augen griffen mich an. »Auf was warten Sie noch? Ich kann mein Billett noch in dieser Minute loswerden, hundertmal. Da, sehen Sie nur!« Er zeigte leicht auf die Menschen, die aus der Rue de la République in die Transports Maritimes drängten. Einige kamen bereits mit Gepäck. Sie hatten wohl schon die Billetts gebucht, sie hatten ihr Visa de sortie schon in der Tasche, schon flatterten Abschiedsgedanken auf ihren bleichen erregten Gesichtern. Doch viele drängten sich vor die Schranke der Schiffahrtsgesellschaft, die gar nichts hatten. Sie waren bereits am Tonfall des ersten Wortes erkennbar, an ihren zuckenden Händen und Lippen. Man konnte glauben, ihr Schicksal sei ihnen auf den Fersen, der Tod stehe bereits Ecke Quai des Belges-Rue de la République, er habe sie eben noch einmal durchflitschen lassen auf die Transports Maritimes mit der Drohung: Wenn ihr nicht mit einem Billett herauskommt, dann! Und ohne Hoffnung und ohne Geld und Papier stürmten sie händeringend die Schalter, als sei dieses eingetragene Schiff das letzte ihres Lebens, das letzte, das je ein Meer überquerte. Ich murmelte: »Sie aber, fahren Sie nicht ab?«
    Er sagte: »Ich fahre ja heim. Ich kann zurück. Ein Ghetto zwar, aber zurück. Für Sie aber gibt es ja jetzt kein Zurück. Sie würde man an die Wand stellen.« Er hatte recht. Und wenn er nur sein Billett wehen ließ, dann würde ein Haufen gepeinigter Menschen vor ihm auf den Knien herumrutschen. »Ich fahre zur Präfektur«, entschied ich. Er faßte wieder mein Handgelenk. Er führte mich ab. Er pfiff einem Taxi, verstaute mich, zahlte.
    Sie kennen ja selbst die Präfektur von Marseille. Die Männer und Frauen, die in den dunklen Gängen der Fremdenabteilung warten von früh bis spät. Ein Polizist scheucht sie fort, sie dringen von neuem vor die Abteilung Visa de sortie, die vielleicht durch ein Wunder ein paar Stunden früher geöffnet wird. Ein jeder in dieser Schlange der Abfahrtbereiten hat soviel hinter sich wie sonst eine ganze Generation unseres Menschengeschlechtes. Er fängt auch an, seinem Nebenmann zu erzählen, wie er dreimal dem sicheren Tod entrann. Doch auch sein Nebenmann ist dem Tod mindestens dreimal entronnen, er hört flüchtig hin, dann zieht er es vor, sich mit dem Ellenbogen in eine Bresche hineinzuschieben, wo ihm ein neuer Nebenmann gleich erzählen wird, wie er seinerseits dem Tod entrann. Und während dieser Wartezeit fällt die erste Bombe auf jene Stadt, in die man hat ziehen wollen, um Frieden zu finden, erlöschen Visen, kommt hinter der Tür, vor der man wartet, das Kabel an, durch welches das Land gesperrt wird, das einem die letzte Zuflucht schien. Und wenn du dich nicht durch List und Gemeinheit noch vordrängst zu den zehn ersten, wenn du nicht zu den zehn ersten gehörst, die mit dem Visa de sortie ausgestattet zur Transports Maritimes zurückfliegen, dann ist die Schiffahrtsliste schon abgeschlossen, dann nützt dir nichts zu nichts.
    Ich gehörte zu den zehn ersten. Ich sah mich schon auf der Schwelle nach Nadines Freundin, Rosalie, um. Ich fand sie auch, ihren runden Kopf zwischen beiden Fäusten, hinter einem Schreibtisch, in Dossiers brütend. Ich drückte mich an das äußerste Ende der Schranke, um ungestört mit ihr zu verhandeln. »Ich habe für Sie alles vorbereitet. Haben Sie jetzt das Geld beisammen?« Sie zählte mit ihren kleinen patschigen Fingern, und ohne mich anzusehen, sagte sie: »Nun rate ich Ihnen

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