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Transit

Transit

Titel: Transit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Seghers
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Ein Irrtum, dachte ich.
    Ich hasse Irrtümer von ganzem Herzen, Irrtümer in Begegnungen. Verwechslung und Irrtümer sind mir zuwider, soweit sie mich selbst betreffen. Ich neige sogar dazu, allen menschlichen Begegnungen übermäßige Bedeutung zu schenken, als seien sie höheren Orts angeordnet, als seien sie unentrinnbar. Im Unentrinnbaren, nicht wahr, darf es keine Verwechslungen geben. Ich rauchte und grübelte noch, als man klopfte. Mein Gast, den Hut in der Hand, sehr wohl gekleidet, warf einen Blick auf die Karte, die vor mir lag. Ich verbeugte mich unwillkürlich so höflich wie er. Ich bot ihm den einzigen Stuhl an, ich setzte mich auf mein Bett. Er hatte sich schon in den Grenzen der Höflichkeit in dem Zimmer umgesehen. »Verzeihen Sie, daß ich Sie störe, Herr Weidel«, begann er. »Sie werden aber begreifen, daß ich den Wunsch hatte, Sie zu sehen.« – »Verzeihen Sie«, sagte ich, »durch die furchtbaren Ereignisse, die Ihr Land und uns alle heimgesuchthaben, hat nicht nur mein Augenlicht gelitten –« – »Beunruhigen Sie sich bitte nicht. Wir beide kennen uns, ohne uns zu kennen. Denn wenn Sie mich früher auch nicht gesehen haben, ohne mich wären Sie nicht hier.« – Ich sagte, um Zeit zu gewinnen, das sei vielleicht eine Übertreibung, doch fügte ich rasch hinzu, weil sein rotes, gesundes, selbstzufriedenes Gesicht überaus verdrießlich bei meiner Feststellung wurde: »Wenn Sie auch Ihren Anteil daran gehabt haben mögen.« – »Ich bin nur froh, daß Sie wenigstens das zugeben. Meine Karte, mein Name belehrt Sie ja, wer ich bin: Emile Descendre.« Ich fragte: »Wie sind Sie zu meiner Adresse gekommen?«
    Ich hatte zuerst eine Regung von Furcht gehabt. Jetzt war ich nur erstaunt. Der Kummer, von welcher Art er auch sein mag, verwundet nicht nur, er feit einen auch gegen vieles. Was mir auch von außen zustoßen mochte, mir war es gleichgültig. Mein Gast antwortete: »Ganz einfach. Ich bin Geschäftsmann. Ich fragte zuerst nach Herrn Paul Strobel. Seine Schwester ist mit meiner Braut befreundet, wie Sie wohl wissen.« In meinem Gedächtnis entstand noch keine Erleuchtung, doch eine Art schwacher Dämmerung: das Paulchen, seine Schwester, ein Bräutigam, ein Seidenhändler. Ich sagte: »Bitte.«
    Er fuhr vergnügt fort: »Herr Paul hat mir mehrfach Ihre Adresse versprochen. Er glaubte, sie aufnotiert zu haben, doch dann erwies sich, er fand sie weder in seinen Privatpapieren noch in den Listen des Komitees, zu dessen Leitung er gehört. Herr Paul ist sehr beschäftigt. Er verwies mich an das mexikanische Konsulat.« Ich horchte gespannt. Er ruckte mit seinem frisierten Kopf wie ein schmucker Vogel auf einer Stange. »Ich möchte noch erwähnen, daß ich mich selbstverständlich zuerst an Madame Weidel wandte. Ich traf sie mehrmals. Ich konnte gewiß ihre heikle Lage verstehen, ich trug ihr Rechnung. Um so wichtiger ist es für mich, mit Ihnen die Dinge zu regeln – Ich wollte auch, da Frau Weidel behauptete, Ihre Adresse nicht zu kennen, sie im Gegenteil selbst zu suchen,die Dame nicht weiter belästigen. Ich ging auf das mexikanische Konsulat. Mit Ihrer Adresse, Herr Weidel, gibt es ja wirklich viel Mißgeschick. Dort muß es eine Verwechslung gegeben haben insofern, als die dort angegebene Straßennummer in Wirklichkeit nicht existiert. Die Straße, in der Sie wohl früher gewohnt haben, war überhaupt bis zu der besagten Nummer nicht ausgebaut. Ich ging auf den Rat der mexikanischen Herren auf das mexikanische Reisebüro. Der Chef dieses Büros besaß als Adresse auch nur das mexikanische Konsulat. Ganz abgesehen davon, daß ich Geschäftsmann bin und also auf Spesen sehen muß, ich setzte mir in den Kopf, Sie zu finden. Der Chef Ihres Reisebüros verwies mich an einen portugiesischen Herrn, mit dem Sie bisweilen ausgehen. Ich versprach diesem Herrn eine kleine Gefälligkeit. Er wußte zwar auch nicht, wo Sie wohnen, doch kannte er ein gewisses Fräulein in den Dames de Paris.«
    Ich dachte, da ist mir das Mäuslein nachgehuschelt aus lauter Langeweile.
    »Ich bitte Sie sehr, sich nicht zu ärgern. Kein böses Blut deshalb! Das Fräulein hatte Ihre Adresse nicht einmal verraten. Ich mußte Zuflucht zu ihren Kolleginnen nehmen. Die Mädchen kennen sich aus. Und schließlich bekam ich dann das Geheimnis verraten, denn eines der Fräulein Kolleginnen aus den Dames de Paris wohnt in der Nähe – in der Rue des Baigneurs. Verzeihen Sie bitte! Ich kann nicht meine Geschäfte darunter Not

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