Transsibirien Express
das alles allein sein Werk.
»Organisation ist das halbe Leben!« sagte er zu Forster. »Manchmal sogar das ganze Leben! Meinen Glückwunsch, Sie haben sich tapfer geschlagen Werner Antonowitsch! Nicht müde?«
»Sie wissen nicht, daß ich mein Praktikum als Hauer unter Tage gemacht habe. Das liegt mir noch immer in den Knochen.«
Werner Forster warf seine Schaufel durch die Tür in den Packwagen.
Mulanow saß erschöpft auf einem Hocker, schwitzte fürchterlich und war am Ende seiner Kräfte. Schließlich ist man Beamter, dachte er, und kein schaufelnder Roboter. Und ich heiße Mulanow und nicht Stachanow! Was uns beide verbindet, ist lediglich das -ow am Ende!
Aber ich habe es gleich geahnt, als ich in Moskau zustieg. Diese Fahrt wird eine Sauerei! Man spürt so etwas nach langen Dienstjahren. Irgendwie schwitzen die Wagen den Geruch der Gefahr im voraus aus … man muß es bloß riechen können. Ich kann's, zum Teufel, ja!
Überall kletterten jetzt die Männer wieder in den Zug und wurden von ihren Frauen wie Helden empfangen.
Die Unbeweibten drängten zum Speisewagen und brachten Fedja und seine Mannschaft völlig durcheinander. Ein solcher Ansturm war nicht programmiert – die Zugküche brach zusammen.
Als dann noch der General einen Kurier schickte und ein Schnitzel in sein Abteil bestellte, war man dem Weinen nahe.
Aber der Zug fuhr wieder. Er ratterte durch den Schneesturm, schob alle Hindernisse wieder vor sich her oder zur Seite und trotzte allen Naturgewalten.
Vitali telefonierte mit Irkutsk und meldete die glückliche Weiterfahrt. Dabei erfuhr er, daß man gerade den Entlastungszug zusammenstellte.
»Nicht mehr nötig, Genossen!« rief Vitali bissig in den Hörer. »Wir haben alle außerplanmäßig in die Hände gespuckt! Sogar der Genosse General!«
Es war eine Meldung, die bei den maßgebenden Leuten in Irkutsk keine helle Freude erzeugte.
In zehn Stunden traf der Transsib ein … Vier hohe Irkutsker Beamte legten sich deshalb vorsorglich mit hohem Fieber ins Bett und waren ab sofort unerreichbar.
Anders Dementi Michailowitsch Skamejkin …
Wir erinnern uns – der Seifenfabrikant, dem man die neuen Schuhe im Zug gestohlen hatte. Mit dessen Seife sich Breschnew die Hände wäscht! Also, dieser Skamejkin hatte ebenfalls mitgeschaufelt, in einem Paar zu großer Stiefel steckend, die ihm Jurij, der Oberlokführer, geliehen hatte. Jetzt juckten zwei Zehen, und Skamejkin nahm mit Recht an, daß sie angefroren waren.
»Wer bezahlt das?« schrie er die Schaffner an, die sich in seinem Abteil versammelt hatten, Skamejkins Füße betrachteten, die Zehen massierten und ebenfalls feststellten, daß Erfrierungen zweiten Grades vorhanden waren.
»Wenn die Zehen amputiert werden müssen! Zum Krüppel hat man mich gemacht! Die sowjetische Eisenbahn hat mich zum Invaliden gemacht! In einem ihrer Züge sind meine Schuhe gestohlen worden! In meinen eigenen Schuhen wären meine Zehen nicht erfroren. Aber in Stiefeln, zwei Nummern zu groß, hui, da pfeift der Wind hinein und sägt mir die Zehen ab! Ich armer Mensch! Aber ich werde es Breschnew schreiben! Man hat einen lebenden Menschen verstümmelt, man hat den Genossen verstümmelt, der Breschnews Seife herstellt …«
»Das wird ein schwerer juristischer Fall«, sagte später Vitali, der Zugführer, zu Mulanow, dem Schaffner. »Man sollte Vorsorgen. Wir haben noch immer Dagorski in Gewahrsam. Ihm sollten wir die erfrorenen Zehen andrehen …«
»Er wird alles abstreiten.« Mulanow wiegte den Kopf.
»Sieht er aus wie ein brutaler Mensch? Ja! Benimmt er sich wie ein gestochener Stier? Ja! Hat er Milda durch den Zug gejagt? Ja! Und wer hat vier Männer zusammengeschlagen, ehe es gelang, ihn zu fesseln? Dagorski! Wer wird jedem, der ihn beschuldigt, ins Gesicht spucken? Dagorski! Fassen wir also zusammen: Er hat keinerlei Chancen, als unschuldig zu gelten! Er ist einfach der Typ, den man verurteilen muß!«
Sie gingen nach vorn, um mit Dagorski zu sprechen und ihm die bittere Sache mit Skamejkins erfrorenen Zehen zu berichten. Aber im Gepäckwagen zwei erlebten Vitali und Mulanow einen heftigen Schock, der sie auf eine Holzbank warf.
»Dagorski?« fragte der Gepäckschaffner entgeistert, als die beiden erschienen waren und nach Dagorski fragten. Dieser Schaffner hieß Amorfskij und sah auch so aus. Er war magenkrank und trank immer nur Pfefferminztee.
»Dagorski? Wieso Dagorski? Er hat mitgeholfen, Schnee zu schaufeln …«
»Was hat er?« schrien
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