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Transsibirien Express

Transsibirien Express

Titel: Transsibirien Express Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Pappbecher ab. »Und da hast du dir eingebildet: Los, fahr in die Taiga, verkriech dich in Sibirien. Das Land ist so grenzenlos wie der Himmel. Dort sucht dich keiner, dort bist du frei wie ein Wiesel oder ein Fuchs … Und wen triffst du? Einen Oberst des KGB und einen Deutschen, der dein Herz einfach auffrißt! Ein Mistleben ist das, nicht wahr, Milda Tichonowna?«
    »Bis Wladiwostok ist es noch weit …«
    »Noch fünf Tage. Was sind fünf Tage, Mildaschka? In fünf Tagen hat dich Karsanow fertiggemacht, ich kenne die Methoden des KGB! Ein Eisenhaken, an dem man sich aufhängen kann, hat mehr Herz als dieser Pal Viktorowitsch. Auch Werner kommt gegen ihn nicht an. Was bedeutet Mut beim KGB? Er ist ein Krümel, den man vom Tisch bläst …«
    Da sie zwei Schichten hintereinander gearbeitet hatten, nahm niemand daran Anstoß, daß sie zum Zug zurückgingen und in einen Wagen kletterten.
    Fedja, der Speisewagenkellner, empfing sie mit einem belegten Brot. Er, seine beiden Gehilfen und die beiden Köche des Transsib waren die am meisten beneideten Menschen im Zug: sie brauchten nicht Schnee zu schippen.
    »Du brauchst mir gar nicht zu erzählen, was du ausgefressen hast«, sagte Klaschka später, als sie mit Milda in ihrem Abteil saß. Sie waren allein. Die Männer arbeiteten draußen, die Frauen standen an den Fenstern und sahen zu.
    »Ich will's jetzt nicht mehr wissen. Du hast keinen Rubel?«
    »Nein.«
    »Was willst du ohne Geld in der Taiga?«
    »Ich werde irgendwo arbeiten. Ich will bloß leben, weiter nichts.«
    »Du wolltest es. Aber jetzt ist Werner Antonowitsch in dich hineingekrochen. Was nun? Kannst du ihn verlassen?«
    »Nein, Klaschka.«
    Milda lehnte den Kopf nach hinten an die Polster. Plötzlich weinte sie, leise, lautlos fast, ihre Lippen zitterten dabei und die Tränen zogen Rillen durch das noch vom Schnee bestäubte Gesicht.
    »Ich liebe ihn jetzt mehr als mein Leben.«
    »Das ist die übliche dumme Rederei! Du mußt dich von ihm trennen, in Irkutsk, spätestens in Tschita. Da hast du noch eine Chance, in Sibirien unterzutauchen. Heul den Mond an, Mildaschka, beiß in die Rinde der Bäume, schrei deinen Kummer in die Taiga … nur trenne dich von Werner Antonowitsch, und lauf weg, weit weg, wie du es geplant hattest.«
    Klaschka beugte sich vor und umfaßte mit beiden Händen Mildas Gesicht.
    »Ich will dir helfen, mein Kleines«, sagte die ordinäre Klaschka, jetzt mit der Zärtlichkeit einer Mutter. »Oh, ich kenne diese Schmerzen der Seele, ich bin nicht aus Holz, und ich bestehe nicht nur aus Unterleib. Ich habe auch geliebt, richtig geliebt! Ohne Rubel dafür zu nehmen! Aber was ist daraus geworden? Der eine ist unter einen Kranwagen gekommen, der andere wurde verurteilt und verbannt; man sagt, nach Magadan. Und nur, weil er Studentenlieder gesungen hat von Freiheit und von Menschenwürde. Ich hätte mich zweimal umbringen können, so geliebt habe ich … Und was bin ich dann geworden? Die Hure vom Dienst im Transsib! Kein gutes Beispiel, ich weiß, kein Vorbild. Aber das Leben geht immer irgendwie weiter, auch ohne Werner Antonowitsch!«
    Sie lehnte sich zurück, spreizte die Beine weit auseinander und schob den Rock hoch. Zwischen ihren Schenkeln hing an einem starken Lederband eine flache Tasche.
    Milda starrte Klaschka entgeistert an.
    »Da staunst du, was?« Klaschka lachte in ihrer grobschlächtigen Art. »Das beste Versteck! Wer mir da drangeht, kann's nicht heimlich tun! In diesem Winkel verdiene ich mein Geld, und hier warten auch die Rubelchen, bis sie zur Bank kommen! Milda …«
    Sie klappte die Ledertasche auf, die mit lauter Geldscheinen gefüllt war. Ein kleines Vermögen, ehrlich erarbeitet, um bei Klaschkas Auffassung zu bleiben. »Wenn du zu mir sagst: ›Bei der nächsten Station steige ich aus‹, schenke ich dir als Anfangskapital fünfhundert Rubel. Ja, das tue ich! Überleg es dir, Milda. Es ist nicht wegen Werner Antonowitsch – es ist wegen Karsanow. Er ist ein Teufel … ich rieche so etwas …«
    Nach vierundeinhalb Stunden war die Strecke frei.
    Jurij, der Oberlokführer, machte einen Versuch, ließ den Zug anfahren und überwand mit Gepolter die breite vereiste Verwehung.
    Man klatschte in die Hände, schwenkte die Arme, wie bei einem Stapellauf, küßte sich sogar gegenseitig und – als Höhepunkt – gab der General dem Tenor die Hand und sagte lachend: »Ich wünsche mir, daß Sie ab heute abend heiser sind!«
    Karsanow ging herum und tat so stolz, als sei

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