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Transsibirien Express

Transsibirien Express

Titel: Transsibirien Express Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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die Tote genau angesehen?«
    »Angesehen? Mir hat es den Magen umgedreht!« Mulanow lehnte sich erschöpft gegen die Wand. »Überall Blut! Auf dem Fußboden, an den Wänden!«
    »Waren Sie Soldat, Kerl?« schrie Karsanow.
    »Jawohl, Genosse Oberst. Sergeant bei der Ersten Weißrussischen Front …«
    »Und können kein Blut sehen?«
    »Ich habe zuviel davon gesehen, Genosse …«
    Das war ein akzeptables Argument.
    Karsanow zog seine Zivilhose über die gestreifte Pyjamahose, knöpfte den Kragen der Jacke zu, was ihm sogleich etwas Dienstliches verlieh, und blickte hinüber zu Werner Forster.
    »Ich bedauere, daß gerade Sie so etwas in einem sowjetischen Zug erleben müssen«, sagte er steif. »Morde sind nicht die Norm in unseren Expreßzügen, falls Sie in Deutschland darüber berichten sollten.«
    »Morde gibt es überall.«
    Forster küßte Milda auf die zitternden Lippen und hüllte das Mädchen in seine Decke ein.
    »Bei uns werden die Ermordeten sogar aus den Zügen geworfen, – das ist leider ein paarmal vorgekommen.«
    »Kommen Sie mit?« Karsanow machte sich bereit, das Abteil zu verlassen.
    Mulanow suchte nach einer Zigarette und war dankbar, als Forster ihm seine Packung in den Schoß warf.
    Milda kroch in die äußerste Ecke des Bettes und zog die Decke bis an ihr Kinn. Ihre Augen waren weit vor Entsetzen.
    »Klaschka …«, stammelte sie. »Arme Klaschka. Gott segne sie …«
    »Unterlassen Sie solche defätistischen Bemerkungen!« bellte Karsanow. »Gott kann hier gar nichts ausrichten. Aber es sollte Ihnen eine Warnung sein, Milda Tichonowna! So enden Ihre … Kolleginnen! Erst durch die Gosse, dann in der Gosse … mit durchgeschnittener Kehle!«
    »Woher wissen Sie, daß man Klaschka die Kehle durchgeschnitten hat?« fragte Forster sofort.
    Karsanow starrte ihn verblüfft an.
    »Das ist so eine Redensart, Werner Antonowitsch. – Schaffner!«
    »Genosse Oberst?« Mulanow zuckte hoch.
    »Benachrichtigen Sie Irkutsk! Und den Zugführer zu Abort fünf! Sorgen Sie ferner dafür, daß der Gang des Wagens fünf gesperrt wird! Kein Wort zu den anderen Reisenden! Der Fall muß mit größter Vorsicht behandelt werden. Auch wenn Sie ein Rindvieh sind, Boris Fedorowitsch, in einem haben Sie recht: Keine Panik! Kein Aufsehen! – Wann sind wir in Irkutsk?«
    »In zwei Stunden, Genosse Oberst.«
    »Kann man die Leiche unbemerkt aus dem Zug bringen?«
    »Kaum! – Es sei denn, wir machen ein Paket aus Klaschka und tragen sie weg mit der Post für Irkutsk …«
    »Solch einen Vorschlag können auch nur Sie machen!« sagte Karsanow bitter. »Wie herrlich leer wäre die Welt, wenn man alle dummen Menschen ausrottete! Keine Ernährungsprobleme mehr! – Gehen wir, Werner Antonowitsch?«
    »Ich bin bereit«, entgegnete Forster.
    »Laßt mich nicht allein!« jammerte Milda. Sie zitterte, als läge sie auf einem Eisklotz. »Bitte, laßt mich nicht allein! Ich habe solche Angst …«
    »Es wird Ihnen nichts geschehen! Der Mörder hat jetzt genug zu tun, um alle Spuren zu verwischen. Sie sind uninteressant!« Karsanow riß Mulanow die Zigarette aus dem Mund und zertrat sie.
    »Hängen Sie hier nicht herum wie eine Altweiberhose!« brüllte er. »Bis wir in Irkutsk ankommen, müssen wir uns ein klares Bild über die Vorgänge, die zu Klaschkas Tod führten, gemacht haben! Vielleicht haben wir dann schon den Mörder …«
    Er trat hinaus auf den Gang, blickte nach rechts und nach links, – aber alle Abteiltüren waren geschlossen und die Vorhänge zugezogen. Man schlief.
    Karsanow stieß den Schaffner Mulanow in den Rücken.
    »Wie spät ist es?«
    »Genau drei Uhr neunzehn, Genosse Oberst.«
    »Gehen wir …«
    Sie tappten die von der Notbeleuchtung geisterhaft erhellten Gänge entlang, gelangten in den Wagen fünf und blieben vor der Toilettentür stehen. Mulanow wischte sich den kalten Schweiß aus dem Gesicht.
    »Ich habe abgeschlossen«, sagte er.
    »Wenigstens soviel Gehirn hatten Sie? Enorm!« Karsanow nickte zur Tür hin. »Aufschließen!«
    Mulanow holte den Vierkantschlüssel, mit dem man alle Türen zu- und aufsperren konnte, aus der Tasche und schloß auf.
    Im Innern der Toilette fünf brannte volles Licht, – man sah den Schimmer unter der Tür.
    »Ich laufe und hole den Zugführer Vitali Diogenowitsch«, stotterte Mulanow.
    Übelkeit würgte ihn, wenn er daran dachte, daß hinter dieser Tür das Mädchen Klaschka auf dem Boden lag, eingeklemmt zwischen Wand und Waschbecken, – und überall Blut!
    Wen

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