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Transsibirien Express

Transsibirien Express

Titel: Transsibirien Express Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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den Händen.
    »Ich habe mit einem Mord genug!« rief er. »Diesen Zug soll der Teufel holen! Wie oft bin ich diese Strecke gefahren, hinauf und herunter, und nichts geschah! Alles war friedlich, ja, sogar langweilig! Immer normale Menschen! Aber dieser Zug? Nur Abnormitäten! Ein ganzer Zug voller Monster! Werner Antonowitsch, ich müßte Sie jetzt eigentlich anzeigen: Sie haben eine Mordabsicht an einem sowjetischen Obersten bekundet! Es wäre also meine Pflicht als Beamter …«
    »Es ist aber auch Ihre Pflicht, ein Mädchen wie Milda zu beschützen.«
    »Was tue ich denn seit drei Tagen anderes? Aber jetzt scheint sich die Lage zuzuspitzen. Milda, Töchterchen … nun sag doch etwas! Erzähle, was mit dir ist! Nur wenn wir die Wahrheit wissen, können wir dir helfen! Ich bin dein Freund … und der Deutsche liebt dich sogar …«
    Milda senkte den Kopf. Ihre großen Augen, die ihr Gesicht beherrschten, wurden dunkel.
    Sie blickte Werner Forster an … mit einem Blick, scheu und dankbar, und tief im Untergrund mit der Antwort: »Ich liebe dich auch. Aber wie sinnlos ist das alles …«
    Forster beugte sich vor und ergriff ihre schmalen Hände. Wie Karsanow festgestellt hatte: Es waren nicht die Hände einer Dirne, weich und gepflegt, es waren schwielige Hände, Bauernhände; kleine bleiche Hände, die man gezwungen hatte, harte Männerarbeit zu leisten.
    Über Mildas Gesicht lief ein Zucken.
    Sie wollte Forster mit einem Ruck ihre Finger entziehen, aber er hielt sie mit eisernem Griff fest.
    »Karsanow wird dich nicht verhaften …« sagte er eindringlich.
    Woher er diese feste Überzeugung in dieser Minute nahm, wußte er nicht zu erklären.
    »Krieche aus deinem Panzer heraus! Wer bist du, fremdes Mädchen? Milda, die Unbekannte von Swerdlowsk?«
    Sie atmete tief auf, und ihre Stimme war plötzlich so klar, daß sie völlig fremd klang und merkwürdig kraftvoll.
    »Ich habe einen Mann getötet«, sagte Milda Tichonowna. »Mit einer Axt habe ich ihm den Schädel gespalten. Er hatte es verdient …«

X
    Kargopow in der Ukraine.
    Wer kennt dieses Kargopow? Niemand!
    Aber man kennt die weißen Mehlsäcke mit dem Aufdruck ›Sowchose Maxim Gorkij‹, und man kennt die rotgestreiften Tüten mit Gries, Graupen und Haferflocken.
    In allen Läden stehen sie in den Regalen, und Millionen von Hausfrauen greifen nach ihnen und loben ihre Qualität.
    Und die Gurkengläser! Man darf sie nicht vergessen. Große, saftige fleischige Gurken, nicht die hohlen Dinger, wie so oft, wenn man Gurken kauft. Und das Sonnenblumenöl in runden Dosen, golden wie ein Sommerabend … das alles ist Kargopow!
    Milda Tichonowna war ein unschuldiges, braves und wohlbehütetes Mädchen, als es von seinem Vater Tichon Iwanowitsch Lipski zur Sowchose ›Maxim Gorkij‹ mitgenommen und dem Brigadier der zweiten Gruppe, dem dicken, immer fröhlichen und immer fluchenden Kyrill Michailowitsch Kuran vorgestellt wurde.
    Der alte Lipski war Vorarbeiter bei der Traktorenbrigade, ein angesehener Mensch, ausgezeichnet als ›Arbeiter des Jahres‹ von Kargopow, also schon eine Persönlichkeit, die jeder kannte.
    »Natürlich kann sie bei uns arbeiten!« sagte Kyrill und musterte Milda, wie man eine Jungkuh mustert. »Ein bißchen mager, mein lieber Tichon Iwanowitsch. Du fütterst sie nicht genug. Was tust du mit den ganzen Rubelchen? Hinter die Gurgel, was? Bist ein Sauvater, mein Lieber!«
    Man lachte darüber. Man wußte ja, wie Kuran das meinte und was er für ein fröhlicher, wenn auch grober Mensch war.
    »Sie ist meine Jüngste«, sagte Lipski: »Ein scheues Reh, Genosse. Ganz anders als ihre Geschwister. Ihr Bruder zum Beispiel haut einen Ochsen mit der Faust um. Und ihre Schwester hat jetzt schon die Brüste einer Amme, haha!«
    Es herrschte ein guter Ton auf der Sowchose, das muß man sagen. Es arbeitet sich angenehm, wenn alle sich verstehen.
    Und so kam Milda Tichonowna zunächst in die Küche, schälte Kartoffeln, putzte Gemüse, spaltete Kohlköpfe, salzte Gurken, kochte Rote Beete ab und wusch Salat.
    Alle mochten sie leiden, allen war sie wie eine kleine Schwester.
    Man fütterte sie richtig, man nudelte sie schon beinahe, wie eine Gans, und Milda wurde etwas runder. Man erkannte nun, daß sie eine Frau und kein eckiger Junge in Weiberkleidern war.
    Und nach einem Jahr hatte sie schöne apfelgleiche Brüste, ihre Beine waren wohlgeformt und doch schlank, ihr Haar glänzte wie Seide, ihre Hüften hatten jene Linien, die Männer mit

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