Transsibirien Express
strafen. So hatte er verkündet, und nun machte er sich auf den Weg zum Funkraum.
Er klopfte so lange, bis Wladlen Ifanowitsch herauskam und schnell die Tür hinter sich zudrückte. Man hätte sonst Hauptmann Plotkin sehen können.
»Sind Sie krank?« brüllte Wladlen mit seiner hohen Stimme.
Skamejkin nickte.
»Wen wundert das noch? Auf Socken durch Sibirien! Hat es das jemals schon gegeben, ha? Man muß ja dabei krank werden bis ins Mark! Aber ich bin noch nicht krank … ich verlange ein sofortiges Gespräch mit dem Chef der Staatsanwaltschaft von Irkutsk! Ich will, daß meine Schuhe nach Chabarowsk nachgeflogen werden …«
Wladlen schlüpfte schnell wieder in den Funkraum und lehnte sich gegen die Tür.
»Haben Sie das gehört?« fragte er leise Plotkin, der unter einer Wolldecke auf der Bank lag.
»Natürlich!« Plotkin kratzte sich zur Abwechslung die Brusthaare und nicht den Haaransatz seines Schädels. »Treten Sie ihn in den Arsch!«
»Das verstößt gegen die Transportbestimmungen. Der Genosse Skamejkin besitzt eine gültige Fahrkarte.«
Von außen hämmerte der wild gewordene Skamejkin gegen die Tür und brüllte dabei Worte, die sich selbst für einen Seifenfabrikanten nicht gehören.
»Er darf mich nicht sehen!« befahl Plotkin. »Er würde es weitererzählen, und der Mörder wäre gewarnt. Es würde unseren ganzen Plan zerstören. Bringen Sie ihn zur Ruhe!«
Das war leicht gesagt.
Wladlen schlüpfte von neuem auf den Flur und drückte Skamejkin gegen die Wand. Das war ein Fehler, denn Dementi Michailowitsch heulte schauerlich auf.
»Ha! Sie fassen mich an!« kreischte er. »Ein sowjetischer Bahnbeamter belästigt einen harmlosen Reisenden! Zu Hilfe! Zu Hilfe! Hier reißen tatarische Sitten ein!«
So weit war Skamejkins Aufhetzung gediehen, als Mulanow scheinheilig Karsanow um Hilfe ersuchte.
Als nun auch noch der Zugführer Vitali Diogenowitsch erschien, um Mulanow zu Hilfe zu holen, damit dieser Skamejkin wegen Zerstörung von Staatsbahneigentum verhafte – Skamejkin hatte nämlich unterdessen Wladlen zwei Knöpfe von der Uniformjacke gerissen –, verlor Karsanow die Beherrschung.
»Ich werde Ordnung schaffen!« schrie er und sprang auf.
Forsters verhaltenes Grinsen provozierte ihn noch mehr.
»Das geht rasch! Und dann zu Ihnen, Werner Antonowitsch und der angeblichen Hure Milda Tichonowna! Rechnen Sie damit, daß ich Sie in Tschita aus dem Zug holen lasse …«
Er rannte hinaus, Vitali, der den Weg frei hielt, hinterher.
Es war die Zeit, wo alles zum Speisewagen strömte oder in den Gängen herumstand und diskutierte. Heute ging es um die Frage, ob solche Streitereien im Transsibirien-Expreß üblich waren oder ob gerade dieser Zug eine böse Ausnahme bildete.
»He! Wo ist Klaschka geblieben?« rief ein Mann. Es war ein dicker Mensch mit einem roten Gesicht, der so aussah, als könne er Klaschka bezahlen. »Wer hat sie sich denn für vierundzwanzig Stunden gekauft? Das sind kapitalistische Manieren!«
»Klaschka ist in Irkutsk ausgestiegen«, sagte Vitali geistesgegenwärtig.
Es war das erstemal, daß jemand Klaschka vermißte.
»Warum fragen Sie?« fuhr Vitali fort. »Schreiben Sie eine Karte an Klaschka, postlagernd Moskau römisch eins.«
»Das war gut«, sagte Karsanow lobend und klopfte Vitali auf den Rücken. »Das war eine schnelle Reaktion!«
Von weitem hörten sie Skamejkin brüllen. Sie beschleunigten ihre Schritte.
Mulanow hatte unterdessen Forsters Angebot angenommen und den Rest des Kognaks ausgetrunken. Wann kann sich ein armer Schaffner schon einen solchen Grusinischen leisten? Ein ordinäres Wässerchen ab und zu, ein saures Bierchen … aber so ein Kognak steht für einen Mulanow nur zur Ansicht im Fenster der Kaufhäuser.
»Lange kann man ihn nicht mehr ablenken«, sagte Mulanow mit echter Sorge. Er legte Milda die Hand auf die angezogenen Knie und blickte sie wie ein richtiger Vater an. »Töchterchen, verbirg nichts mehr vor uns: kann Pal Viktorowitsch dir gefährlich werden?«
»Ja.« Sie legte den Kopf zurück an die Wand und starrte gegen die gewölbte Waggondecke. »Ich werde in Ulan-Ude aussteigen.«
»Daran wird Karsanow auch denken und rechtzeitig wieder zur Stelle sein.«
»Dann werde ich mich aus dem Zug stürzen!« Sie sagte es ganz ruhig, beinahe nebensächlich. Aber Forster und Mulanow wußten, daß sie es ernst meinte.
»Wenn einer aus dem Zug stürzt, ist es Karsanow!« sagte Forster hart.
Der Schaffner Mulanow wedelte entsetzt mit
Weitere Kostenlose Bücher