Transzendenz
die Komplexität der wirklichen Welt hinwegzugehen, vor allem über die komplizierten Verflechtungen der Biosphäre – und darum war es leichter, nichts zu tun, als etwas Großes zu tun und Gefahr zu laufen, die Dinge damit noch schlimmer zu machen. Aber Shelley und ich waren hier, weil wir um Hilfe bei einem eigenen Großprojekt bitten wollten, dessen Dimensionen diese mit Silber überzogenen Golfbälle wie Spielzeug aussehen ließen.
Ich klinkte mich aus der Unterhaltung aus. Als wir über einer dieser Kuppeln tiefer gingen, sah ich das Spiegelbild des Flugzeugs, ein Stäubchen, das über eine gekrümmte, himmelblaue Fläche glitt.
Bevor das Flugzeug zum Landeanflug ansetzte, legte es sich in die Kurve und drehte in den Wind, der von der Küste kam. Wir flogen eine Schleife über eine trockene Landschaft, in der nur Gestrüpp und Joshuabäume wuchsen. Und plötzlich loderte der Boden von gespiegeltem Licht. Ich erkannte zahllose Reihen ordentlich geparkter Autos, einen Teppich aus Glas und in leuchtenden Farben lackiertem Blech. Sie sahen makellos aus, intakt und ohne Kennzeichen.
Die Verkündung der Amin-Politik hatte die Benzinautomobilindustrie praktisch ihrer Zukunft beraubt. Die anschließende Phase der Anpassung und Schadensbegrenzung hatte mehrere Jahre gedauert. In Detroit und anderen Autostädten waren die Montagebänder weitergelaufen wie ein Wasserhahn, den niemand abstellen konnte, und hatten Fahrzeuge herausgepumpt, für die es keinen Markt mehr gab. Die Bundesregierung hatte den überschüssigen Bestand einfach aufgekauft und an Orte wie diesen verfrachtet. Und hier standen diese kleinen Wunderwerke der Technik nun in der trockenen Luft, in der sie nicht rosteten, als erwarteten sie, die vom Smog erstickten Tage des zwanzigsten Jahrhunderts könnten irgendwie zurückkehren. Einige der neueren Modelle verfügten über so umfangreiche KI-Komponenten, wie ich sah, dass sie Ichbewusstsein besaßen. Ich fragte mich, ob sie wussten, wo sie waren, ob sie wie herrenlose Haustiere auf Besitzer warteten, die niemals kamen.
Wir traten aus dem Flugzeug in eine stumpfe, brütende Hitze hinaus; es war schlimmer als in Sevilla. Umso mehr beeindruckte es mich, dass es EI gelungen war, Teile dieser Wüste zu begrünen. Ruud Makaay holte uns persönlich am Fuß der Flugzeugtreppe ab. Seltsamerweise wirkte er größer als seine VR-Repräsentation, und sein Händedruck war fest.
Die EI-Gebäude am Rand der Smartasphaltfläche der Start- und Landebahn des kleinen Flugplatzes waren wenig beeindruckende, schachtelartige weiße Blöcke. Sie waren jedoch klimatisiert, und wir gingen erleichtert hinein. Makaay führte uns durch ein ganz normal wirkendes Großraumbüro mit zahllosen Trennwänden, Schreibtischen und an Softscreens und Terminals arbeitenden Menschen. Die meisten schienen in Fleisch und Blut hier zu sein, aber ein oder zwei hatten den falschen Schimmer von VRs.
Makaay brachte uns zu einem kleinen Büro. Wir nahmen Platz, und er schenkte uns Kaffee ein.
»Ihr Unternehmen ist kleiner, als ich erwartet hatte«, sagte ich vorsichtig.
»Na ja, das hier ist nur die Zentrale«, sagte Makaay. »Das Hauptquartier des Unternehmens. Wir verfügen über Konstruktionsbüros, Labors und Produktionsanlagen im ganzen Land – oder vielmehr in aller Welt. Und wir haben die Zentrale bewusst schlicht angelegt. Wir wollten nicht den Fehler machen, unsere Besucher durch die Gebäude selbst abzulenken, durch Brunnen, Topfpflanzen und Statuen des Gründers. Waren Sie schon mal in der St.-Paul’s-Kathedrale in London? Auf dem Grab von Christopher Wren, dem Architekten, steht eine lateinische Inschrift: ›Betrachter, wenn du ein Denkmal suchst, blicke umher.‹ Oder so ähnlich. Bei uns ist es genauso. Uns liegt daran, dass die Dinge draußen vor dem Fenster interessanter sind als die hier drin.«
»Und«, sagte ich, »glauben Sie, dass Sie uns helfen können?«
»Es ist noch zu früh, um das zu sagen. Ihre Idee ist momentan noch ein bisschen dünn«, sagte er trocken. »Aber dazu kommen wir noch. Sie haben ja nun etwas von uns gesehen; was meinen Sie – erwecken wir den Eindruck, als könnten wir Ihrem Projekt Flügel verleihen?«
Ich dachte darüber nach. »Ihre Unternehmen scheint jedenfalls besser zu florieren, als ich erwartet hatte.«
»Das würde ich nicht unbedingt sagen. Wir sind noch nicht reich, nicht in Anbetracht der Dimensionen unserer Arbeit. Wir tun nur so, als wären wir groß. Aber jeder ist überrascht,
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