Transzendenz
hohen Tieren ins Geschäft kommen.«
Makaays Miene war freundlich und engagiert, aber auch reserviert, absolut professionell. »Ich kann noch nicht sagen, ob wir Sie unterstützen werden. Diese Entscheidung muss unser Vorstand treffen. Für uns wäre das ein ziemlicher Brocken. Aber ich glaube, dass Ihr Projekt genau das ist, wofür EI gegründet wurde.« Er stand auf und marschierte in dem kleinen Büro auf und ab. »Ich sehe eine Möglichkeit für uns alle. Wir brauchen einen Erfolg. Und wenn wir erst einmal unsere Angst vor ›zu starken Eingriffen‹ abgeschüttelt haben, bieten sich enorme Möglichkeiten.
Sagen wir, ich bin ein Progressiver. Ich möchte eine Welt errichten, in der Platz für so viele glückliche, wohlgenährte und gesunde Menschen ist, wie wir nur hineinstopfen können. Was soll daran falsch sein? Aber natürlich will ich dabei auch nicht die Umwelt zerstören.« Die beiden Hebel der Geotechnik, sagte er, Kohlenstoff-Sequestrierung und Albedo-Kontrolle, seien im Grunde unabhängig voneinander. »Eine Zunahme des Kohlendioxidgehalts hat einige positive Auswirkungen: Zum Beispiel wird das Pflanzenwachstum angeregt. Angenommen, wir ließen den CO 2 -Pegel ansteigen, hielten die Temperatur jedoch mit Albedo-Modifikation unter Kontrolle? Vielleicht wäre das der Weg, unsere Zivilisation zu einem neuen Optimum zu führen und gleichzeitig den Planeten zu schützen.
Und wir können noch weitergehen«, fuhr er fort. »Dieser Flaschenhals wird uns lehren, im planetaren Maßstab zusammenzuarbeiten. Dann wird es uns gelingen, im wahrsten Sinne des Wortes nach den Sternen zu greifen. Der Erde bliebe es vorbehalten, das zu tun, was sie am besten kann, nämlich die komplexe Biosphäre zu tragen, die wir kennen. Wir würden die Ressourcen des Weltraums nutzen, um die Fesseln einer geschlossenen planetaren Ökonomie abzustreifen…«
Shelley stand auf, um seinen Redestrom zu stoppen. »Großartig. Aber haben Sie währenddessen ein Büro, in dem wir uns einrichten können?«
Er grinste selbstironisch. »Natürlich. Gehen wir an die Arbeit.«
Als wir ihm aus dem Raum folgten, flüsterte Shelley mir zu: »Wir sollten ihn Prospero nennen.«
»Wer ist das?«
»Erinnern Sie sich nicht mehr an Ihren Shakespeare? Der Sturm. Prospero hat ein Unwetter heraufbeschworen; er war ein früher Geotechniker.«
»Hat er nicht Schiffbruch erlitten?«
Shelley zog die Augenbrauen hoch, und wir gingen weiter.
31
Zu Alias Zeit war das eusoziale Leben fast so alt wie die Menschheit. Die erste menschliche eusoziale Gemeinschaft, der erste Schwarm, war tatsächlich auf der alten Erde entstanden, in der kurzen Zeitspanne vor dem Raumflug.
Die Eusozialität war eine Lösung der Dilemmata des Lebens auf beengtem Raum, die häufig in isolierten Gemeinschaften auftraten, wenn Mangel an Ressourcen herrschte und es schwierig war, die Heimat zu verlassen. »Überall, wo man seiner Mutter nicht entfliehen kann, lebt man schließlich auf diese Weise«, sagte Reath. »Es ist ein Merkmal unserer neuralen Verarbeitungsprozesse, glaube ich – manche würden sagen, ein tief sitzender Fehler. Aber es ist zweifellos ein Bestandteil der Menschheitsgeschichte.«
Es begann stets mit sozialem Druck. Wenn erwachsene Kinder zu Hause blieben, konkurrierten sie mit ihren Eltern um Ressourcen. Deshalb zwang die Mutter ihre Tochter, weniger oder gar keine Kinder zu bekommen und sich stattdessen mit allen Kräften ihren Schwestern zu widmen. Familien blähten sich zu riesigen Verbänden samt und sonders kinderloser Schwestern, Cousinen und Tanten auf, die sich alle um die Bedürfnisse der Kinder einer einzelnen Mutter kümmerten.
Letztendlich diente das den Erfordernissen der Gene, sonst hätte es gar nicht funktioniert. Ein Mensch war genetisch enger mit seiner Tochter verwandt als mit seiner Nichte. Aber durch die eusoziale Lebensweise konnte man mehr Nichten durchbringen, als man Töchter gehabt hätte, und seinen Genen dadurch, wenn auch indirekt, eine größere Überlebenschance verschaffen.
Und wenn sich der soziale Druck dann verfestigt hatte, setzte die natürliche Auslese ein.
Über die Generationen hinweg passte man sich als Drohne an die Umgebung an, in der man gefangen war: die Umgebung der Koaleszenz. Einzelne Geschöpfe, die Bausteine eines höheren Organismus, wurden auf verschiedene Weise modifiziert, damit sie den Bedürfnissen der Kolonie als Ganzes nach Nahrung, körperlicher Unterstützung, Lokomotion, Verarbeitung
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