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Transzendenz

Transzendenz

Titel: Transzendenz Kostenlos Bücher Online Lesen
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versuchte mir zu merken, welche Tür sie gewählt hatte. Zwanzig, fünfundzwanzig Türen weiter? Ich zählte die Türen im Vorbeilaufen.
    Doch dann ragte eine Wand vor mir auf.
    Ich musste stehen bleiben. Keuchend stand ich da und starrte die Wand verständnislos an. Es war eine schlichte Hotelwand; kleine, pfeilförmige Zeichen wiesen den Weg zur Rezeption und zu einem Notausgang. Sie schien aus dem Nichts gekommen zu sein, hatte wie eine VR materialisiert und den Flur abgeschnitten.
    Ich drehte mich um und schaute zurück. Der Flur kam mir jetzt nicht mehr so lang vor. Ich konnte sogar die Badezimmertür sehen, die ich offen gelassen hatte.
    Mir war klar, dass ich Morag in dieser Nacht nicht wieder sehen würde. Ich stolperte durch den Flur zurück und suchte nach meinem Zimmer.
    Ich sehnte mich danach, Tom anzurufen, wusste jedoch, dass ich es nicht tun durfte.
     
    Am Morgen war ich früh auf den Beinen. Ich fragte am Empfang nach irgendwelchen Aufzeichnungen von der vergangenen Nacht. Ein paar Überwachungskameras verteilten sich im Gebäude, aber in den Zimmern gab es keine, und nur eine hatte diesen Flur im Visier.
    Mit sanftem elektronischem Druck überredete ich die KI des Hotels, mir die Bilder zu zeigen. Ich sah mich durch den Flur stolpern, rennen und taumeln. Ich war im Halbschlaf gewesen; ich wirkte beinahe betrunken. Von Morag gab es jedoch kein deutliches Bild. Das Blickfeld der Kamera reichte nicht weit genug, und alle Geräusche wurden von den lautstarken Ventilatoren der Klimaanlage übertönt. Vielleicht war da ein Schatten – ein flüchtiger Umriss, ein kurzer Blick auf einen Knöchel, die Ahnung einer Stimme in der Audioaufzeichnung. Das war alles.
    Wieder einmal war Morag gekommen und gegangen, fast ohne Spuren zu hinterlassen.

 
37
     
     
    Für den Tag nach Alias Landung auf der Erde hatte sich Leropa mit ihr in einer Siedlung verabredet, die in den Ruinen einer Konurbation mit der alten Nummer 11.729 erbaut worden war; so nannte Leropa sie jedenfalls. Anscheinend war es ein historisch sehr bedeutsamer Ort. Alia wusste nichts darüber und fragte nicht danach. Im Herzen des Sonnensystems begraben, schnürten ihr Alter und Mysterien allmählich die Kehle zu.
    Als der Morgen kam, flog Alia mit Reaths Fähre allein dorthin. Das kleine Raumfahrzeug glitt zuversichtlich nach Norden, und unter seinem Bug zog eine kreisförmig angelegte Stadt nach der anderen vorbei. Der Himmel war von einem verwaschenen Blau, und am Tag waren keine Sterne zu sehen. Es stand auch kein Mond am Himmel. Alia wusste nicht genau, ob der Mond, der ihr von ihren Stippvisiten in Michael Pooles Zeit so vertraut war, tagsüber jemals sichtbar gewesen war. Und jetzt war der Mond natürlich fort; infolge eines Unfalls in den endlosen Kriegen der Menschheit hatte er sich von der Erde gelöst. Sie fragte sich, ob Michael Poole sich an einen mondlosen Himmel hätte gewöhnen können.
    Schließlich zeichnete sich etwas weitaus Imposanteres über dem Horizont ab.
    Es war ein Gerüst, eine offene, skelettale Struktur. Sie war pyramidenförmig – nein, tetraedrisch, sah Alia, mit drei gewaltigen Beinen, die zum Boden hinabtauchten, und von blaugrauer Farbe, obwohl der Dunst der Entfernung ihren wahren Farbton vielleicht verschleierte. Wolkenstreifen ringelten sich träge um die Spitze dieses riesigen Dreibeins, aber seine Basis verbarg sich noch immer hinter dem Horizont – das ganze Gebilde musste mehrere Kilometer hoch sein.
    Als die Fähre näher kam, ragte das Konstrukt immer höher in Alias Himmel, bis sie schließlich durch den riesigen offenen Raum flog, der von dem Gerüst umspannt wurde. Im Innersten der dreieckigen Fläche, über der sich der Tetraeder erhob, lag eine Stadt: Konurbation 11.729. Diese Stadt hatte sich noch etwas von der uralten Kuppelarchitektur bewahrt, aber die einander überlappenden Kuppeln waren vom Zahn der Zeit angenagt, durchschnitten und immer wieder geflickt worden.
    Die Fähre ging hinunter. Auf dem Boden wartete Leropa auf Alia.
    »So«, sagte Leropa, »du bist also die junge Auserwählte, die uns so viele Probleme bereitet hat.«
    »Tut mir Leid«, stammelte Alia. »Das war nicht meine Absicht.«
    »Natürlich nicht.«
    »Und ich bin dankbar, dass du… dass die Transzendenz mir Zeit lässt.«
    »Ach, du brauchst nicht dankbar zu sein. Die Transzendenz kann gar nicht anders, als dir ihre Aufmerksamkeit zu widmen. Ist dir das nicht klar? Vielleicht war deine Ausbildung doch nicht so

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