Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Transzendenz

Transzendenz

Titel: Transzendenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
Gesichter, ausdruckslose Mienen. Sie sprachen nicht einmal, obgleich manche von ihnen leise vor sich hinzumurmeln schienen. Genauso wie Alia es auf jener anderen Transzendentenwelt im galaktischen Kern gesehen hatte, wurden die Unsterblichen von der gewaltigen Last der Vergangenheit niedergedrückt, und jeder von ihnen war in seine separate Welt eingeschlossen.
    Alia fiel auf, wie anders Leropa war. Sie schien die Einzige in dieser ganzen dahinschlurfenden Menge uralter Menschen zu sein, die Alias Anwesenheit überhaupt wahrnahm.
    »Was denkst du, Alia?«
    »Ich sehe nur, was fehlt. Hier gibt es nichts. Keine Kunst. Keine Musik…«
    Leropa verzog das Gesicht. »Kannst du dir auch nur ein einziges Kunstwerk vorstellen, das du nicht fürchterlich fändest, wenn du es zu oft gesehen hättest, ein Musikstück oder ein Gedicht, dessen du nicht vor Langeweile überdrüssig wärst, wenn du es tausend Jahre lang gehört hättest? Das ganz Abstrakte hat am längsten Bestand, glaube ich. Kalte, stumme Musik; blasse, unmenschliche Kunst. Aber mit der Zeit nutzt sich alles ab, Alia. Alles Sichtbare wird zu Staub – und so wendet man sich dem zu, was bleibt, dem Unsichtbaren.«
    »Was in einem ist.«
    »Ja. Die Gegenwart ist nur eine Oberfläche von Sinneseindrücken um eine große Blase der Erinnerungen herum. Man vergisst, wie man sieht oder hört; man vergisst, wie man mit Menschen spricht. Man vergisst, dass andere Menschen überhaupt existieren. Man versinkt in sich selbst und denkt über die Vergangenheit nach.«
    »Und dennoch lebt man endlos weiter.«
    »O ja.«
    Diese uralten Gestalten und die Weisheit, die sie angesammelt hatten, waren in gewissem Sinn die Schätze der Menschheit und das Fundament der Transzendenz. Und deshalb wurden sie in Ehren gehalten. Aber nicht beneidet.
    »Ich verstehe, dass dich das abstößt«, sagte Leropa. »Ich habe so eine Reaktion schon oft erlebt – ein instinktiver Abscheu, die Ablehnung, die alle Jungen für alles Alte empfinden. Das ist die natürliche Ordnung der Dinge. Aber du wirst deine Meinung schon noch ändern. Die Alternative zum ewigen Leben ist schließlich der Tod. Und wir sind wirklich von einigem Wert, weißt du.«
    Leropa streckte die Hand aus und berührte ohne Vorwarnung Alias Stirn. Ihre Finger waren kalt.
    Und plötzlich stand Alia auf den Gipfel eines Berges, umhüllt von kalter Luft, die an ihren Lungen zerrte. Sie taumelte und schlang die Arme um den Körper.
     
    Leropa betrachtete sie leidenschaftslos. »Dir wird nichts passieren«, sagte sie.
    Alias vom Dunst getränkte Systeme verarbeiteten den Schock. Die Kälte und das Schwindelgefühl verschwanden. Sie stand aufrecht da und versuchte, ihre Fassung wiederzugewinnen.
    Sie stand auf einem Plateau, das aus dem Gipfel dieses steilen Berges gehauen war und nicht mehr als hundert Schritte maß. Granitwände fielen zu Tälern tief unten hinab, und zu allen Seiten ragten weitere Berge auf. Das Gestein unter ihren Füßen war rutschig; an den Polen der Erde mochte es kein Eis mehr geben, hier oben aber schon.
    Ein riesiger Zylinder aus einem kalten blauen Metall ragte aus dem Gipfelgestein und zeigte senkrecht nach oben zum Himmel. Das monumentale Ding von einem Vielfachen ihrer Körpergröße war offensichtlich eine Waffe.
    »Wo bin ich?«
    »Spielt das eine Rolle?« Leropas dünne Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. »Ach ja, du hast den Werdegang von Michael Poole beobachtet, nicht wahr? Zu seiner Zeit nannte man diese Berge ›die Pyrenäen‹.«
    »Sind wir hierher geskimmt?«
    »Auf der Erde skimmt jeder überallhin. Die Menschen verschwenden den Energievorrat des Planeten, als wäre er unerschöpflich. Du hast bestimmt die schwebenden Gebäude gesehen, und wie der ganze Planet vom Weltraum aus leuchtet. Die Erde ist immer stark geblieben, weißt du. Selbst nach dem Sturz der Koalition war sie der Regierungssitz des stärksten Nachfolgerstaates. Und durch alle seitherigen Kriege und Schicksalsschläge hindurch ist sie ungefährdet und unversehrt geblieben. Dafür haben wir gesorgt.«
    »Wir?« Aber Alia wusste, wen sie meinte. Die Unsterblichen.
    »Und da sie stark blieb«, fuhr Leropa fort, »wurden ihre Bewohner natürlich reich – selbst wenn der Planet dabei seine Substanz einbüßte. Die Erben der Erde führen ein exotisches Leben, Alia. Exotischer, fantastischer, erfüllter, als eine kleine schiffsgeborene Streunerin wie du es sich vorstellen kann.«
    Das ärgerte Alia. »Mag sein. Aber wenn sie

Weitere Kostenlose Bücher