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Transzendenz

Transzendenz

Titel: Transzendenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
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gründlich, wie ich gedacht habe. Du bist bereits Bestandteil der Transzendenz, Kind. Deshalb sind deine Zweifel und Fragen ihre Zweifel. Verstehst du?«
    »Ich glaube schon…«
    »Und deshalb muss sich die Transzendenz mit dir beschäftigen, um selbst zur Ruhe zu kommen.« Leropa schloss die Augen und neigte den Kopf, wie Alia es bei Reath gesehen hatte, wenn er den Namen der Transzendenz in den Mund nahm.
    Leropas Gesicht war sehr seltsam: klein und rund, mit so flacher Nase und so flachen Wangenknochen, dass es fast schon konturlos war, wie ein sehr alter, von der Erosion geglätteter Krater. Ihre Lippen schienen keinen Tropfen Blut zu enthalten, und ihre Augen waren graue Kugeln, so trocken wie Steine. Alia fragte sich, wie alt diese Person war – und ob man sie überhaupt noch als Person bezeichnen konnte. In Leropas Gegenwart kam sich Alia vergänglich und durchschaubar vor.
    Leropa lächelte sie an; es war eine kalte Grimasse, die ihren Gesichtsmuskeln durch einen Willensakt aufgezwungen wurde.
    Zusammen gingen sie durch die riesigen, runden Innenhöfe der Kuppeln. Vom Boden aus boten die Kuppeln einen besonders langweiligen Anblick: Sie waren so groß, dass man sie einfach nicht ganz erfassen konnte, denn Alias Blick reichte nur bis zum Horizont einer Kuppel, sodass ihr deren wirkliche Größe verborgen blieb. Doch über allem schwangen sich die von hier aus in lebhaftem Blau schillernden Streben des Dreibeins in die Höhe, bis sie den Himmel durchstießen.
    Alia fühlte sich in der hohen Erdschwerkraft zunehmend unwohl. Sie versuchte immer wieder, in einen schnellen Laufschritt zu verfallen, weil sie die Ökonomie des Gehens vergaß – und außerdem war ihr nicht mehr wirklich zweibeiniger Körper nicht fürs Gehen gebaut. Nach einer Weile entschied sie sich für einen Kompromiss: Sie verlagerte einen Teil ihres Gewichts auf die geballten Fäuste und lief mit federnden Schritten dahin.
    Leropa sah kommentarlos zu, wie Alia auf allen vieren durch die Ruinen der Erde wanderte.
    Dann sprach sie mit einer Stimme, die wie das Rascheln trockener Blätter klang. Der Tetraeder sei in gewissem Sinn ebenfalls eine Ruine, sagte sie. Er stamme aus der Zeit nach dem Sturz der Koalition. Eine religiöse Gruppe namens Wignerianer oder Freunde, illegal in den Militärkolonien im Zentrum der Galaxis entstanden, sei im Gefolge des politischen Zusammenbruchs als vereinigende Kraft hervorgetreten. In ihrer Blütezeit sei sie hierher, zur Erde, zurückgekehrt, wo sie über der in Trümmern liegenden Hauptstadt der Koalition, die sie einst verboten hatte, die mächtigste aller Kathedralen errichtet habe.
    Am Ende sei der Glaube der Freunde die macht- und prachtvollste aller Religionen der Menschheit geworden. Er habe eine Galaxie bekehrt und die Tiefen der menschlichen Seele erforscht. Heutzutage sei er so gut wie verschwunden.
    »Im Zentrum der Wignerianer-Religion stand der Glaube, dass die gesamte Geschichte kontingent sei«, sagte Leropa, »dass alle möglichen Weltlinien am Ende der Zeit zusammengefasst würden, die Geschichte dann zugunsten des Guten korrigiert und jeder Schmerz ausgelöscht werde.«
    »Eine Erlösung«, sagte Alia.
    »Ja. Durchaus möglich, dass die Entelechie-Vision der Wignerianer das Denken der Transzendenz beeinflusst hat.« Sie blickte zum Skelett der Kathedrale hinauf und blinzelte ins Licht. »Doch alles geht vorbei, Alia. Früher einmal war dies die Hauptstadt einer Regierung, die über die gesamte Galaxis herrschte. Und am Ende ist von der Koalition nichts geblieben als die Religion, die sie zu verbieten versucht hatte, und auch von der ist letztlich nichts geblieben als diese eine Idee, ein Traum von der Entelechie. Und ein paar Ruinen.«
    Dies sei ein passender Versammlungsort für die Unsterblichen, meinte Leropa. Irgendwann sei die Kathedrale ausgeplündert worden, und ihre Mauern seien zerbröckelt – aber nicht dieses zentrale Gerüst aus etwas namens exotischer Materie, das der Entropie selbst trotze. »Die Unsterblichen empfinden Verachtung für bloßen Stein, der einem mit der Zeit unter den Händen zerfällt. Das hier verdient Respekt.«
    Alia fühlte sich ein wenig abgestoßen. Sie schwieg.
    Dann trafen sie im Schatten der zerbrochenen Kuppeln auf die Unsterblichen.
    Es waren nur wenige von ihnen zu sehen. Sie bewegten sich langsam und vorsichtig, und jede rundliche Gestalt war von einer Wolke von Servitor-Maschinen umgeben. Aber alle blieben für sich allein. Sie hatten leere

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