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Transzendenz

Transzendenz

Titel: Transzendenz Kostenlos Bücher Online Lesen
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einer fleckigen Badewanne. Das Wasser sah klar aus, roch jedoch verdächtig nach Chlor.
    Zurück in meinem Zimmer benutzte ich die äußerst schlichten VR-Einrichtungen, um Kontakt mit meiner Gruppe aufzunehmen.
    Alle waren hier in Alaska, Tom und Sonia, Ruud Makaay und seine Leute, Shelley und einige ihrer Kolleginnen und Kollegen, sogar Vander Guthrie. Ich war zu müde, um an diesem Abend noch etwas Berufliches zu erledigen, hätte jedoch gern Gesellschaft gehabt. Ich sehnte mich danach, Tom wiederzusehen, ein tief sitzender Impuls auf zellulärer Ebene. Aber er wusste, dass Rosa und ich uns »Gespenstergeschichten erzählt hatten«, wie er es formulierte, und war sauer auf mich. Ich hatte keine Lust auf weitere Streitereien. Währenddessen regelte Shelley die letzten Details für die Demonstration am nächsten Tag. Alle anderen arbeiteten oder schliefen. Ein bisschen wehmütig versprachen wir, uns am nächsten Morgen zu treffen.
    Ich rollte mich ins Bett und schaute mir die Nachrichten an.
    Es gab tatsächlich ein wichtiges Thema: weitere Fälle lokaler Hydratfreisetzungen in der Umgebung des nördlichen Polarkreises, weitere Wasserfontänen und tödliche Gaswolken. Vermutlich war das hier oben von lokalem Interesse.
    Ich war hundemüde, und meine Augen fühlten sich an wie mit Sand beschichtet, aber es fiel mir schwer, Ruhe zu finden. Meine Muskeln schmerzten von den langen Stunden, die ich in Flugzeugen gesessen hatte, und ich war angespannt, voller Energie, die abgebaut werden musste. Das Licht, das um die Ränder meiner Vorhänge herum ins Zimmer sickerte, war hell, nicht ganz wie Tageslicht, aber doch hell genug, um meine Körperuhr zu verstellen. Obwohl es kurz vor Mitternacht war, stand die Sonne noch immer am Himmel; dies war der arktische Hochsommer.
    Ich lag reglos da, mit geschlossenen Augen, und versuchte, mich selbst in den Schlaf zu reden. Ich spürte, wie ich nach innen driftete, weg von der schäbigen Realität dieses tristen Hotels in Alaska. Doch als mein Bewusstsein zurückwich, schien ich nur eine tiefere Schicht der Nervosität zu entdecken, wie einen von der Ebbe freigelegten Strand.
     
    Ich musste aufs Klo.
    Ich stand mühsam auf und tastete mich im Dunkeln zur Tür. Das Licht auf dem Flur war einen Moment lang blendend hell. Ich taumelte an einer Wand entlang. Das einzige Geräusch war das Tappen meiner Füße. Das Licht war irgendwie eigenartig – ein toter, farbloser Schein, dem jede fotosynthetische Güte des Sonnenlichts fehlte. Barfuß und allein schlurfte ich vor mich hin und fühlte mich wie ein Sträfling.
    Der Flur schien gar nicht mehr aufzuhören; er kam mir länger vor, als ich ihn in Erinnerung hatte. Ich fragte mich, ob ich die falsche Richtung eingeschlagen hatte, ob ich im Begriff war, mich zu verirren. Aber ich ging weiter, weil ich mir dachte, dass ich irgendwann irgendwo ankommen musste.
    Schließlich gelangte ich zum Badezimmer. Ich zwängte mich hinein, benutzte die Toilette und kam wieder heraus. Erneut erstreckte sich der Korridor zu beiden Seiten in unendliche Ferne; egal, in welche Richtung ich schaute, alles sah gleich aus. Eine Sekunde lang musste ich überlegen, woher ich gekommen war. Meine Gedanken schienen in meinem Kopf festzusitzen wie Kleister in einem Rohr. Ich wandte mich nach rechts – ja, das schien mir der richtige Weg zu sein – und stolperte durch den Flur zurück.
    Dann sah ich sie.
    Sie war eine schlanke Gestalt, weit vorn im Flur. Ich hörte ihre Stimme. Sie sprach schnell, so wie beim Riff. Aber die mit dicken Farbschichten bedeckten Wände verwürfelten ihre Stimme zu Flüsterlauten und Echos.
    Natürlich lief ich los. Ich kam mir töricht vor, barfuß zu rennen, während mir die Schlafanzughose um die Beine flatterte und mein Bauch unter der Jacke auf und ab hüpfte. Aber ich lief trotzdem, lief ihr nach wie zuvor und wie ich es immer tun würde.
    Ich hielt den Blick auf Morag gerichtet. Mir war, als wollte sie, dass ich sie erreichte. Sie stand einfach nur da. Doch obwohl ich so schnell rannte, wie ich konnte, kam ich ihr nicht näher. Ich hatte keine Angst: Da war nichts von dieser schrecklichen, widerwärtigen, banalen Kälte des Bösen, die Rosa beschrieben hatte. Sie war für mich da. Doch obwohl ich alle Kräfte darauf verwandte, diesen endlosen Flur entlangzulaufen, konnte ich sie nicht erreichen. Sie wirkte hilflos; ihre Hände waren ausgebreitet.
    Sie wandte sich von mir ab und betrat ein Zimmer.
    Ich versuchte zu zählen,

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