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Transzendenz

Transzendenz

Titel: Transzendenz Kostenlos Bücher Online Lesen
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selbst für den matten chemischen Ruf, den eine Pflanze einer anderen sandte. Aber wie viel Information war in diesen Botschaften enthalten? Selbst wenn man die Sprache nicht übersetzen konnte, selbst wenn man nicht wusste, wovon der Gesang der Wale handelte: Gab es Möglichkeiten festzustellen, ob überhaupt eine Information darin enthalten war – und wenn ja, wie viel und in welcher Dichte? Diese Fachrichtung hatte uns in den letzten Jahren geholfen, die manchmal kryptischen Äußerungen unserer rätselhafteren künstlichen Intelligenzen zu verstehen – und, dachte ich, sie würde uns vielleicht auch eines Tages helfen, falls wir jemals auf extraterrestrische Intelligenzen trafen.
    Rosa machte eine Handbewegung, und die Luft füllte sich mit Diagrammen. Es habe alles mit der Informationstheorie zu tun, sagte sie, mit der Mathematik von Symbolfolgen – binäre Ziffern, DNA-Basen, Buchstaben, Phoneme. »Als Erstes stellt man fest, ob in dem Signal irgendeine Information enthalten ist. Dazu konstruiert man ein Zipf-Diagramm…« Es war nach einem Harvard-Linguisten der 1940er Jahre benannt. Man spaltete das Signal in seine Elemente auf – Basen, Buchstaben, Worte – und erstellte dann ein Balkendiagramm ihrer Gebrauchshäufigkeit. Rosa zeigte uns Beispiele, die auf dem englischen Alphabet beruhten: eine Art Treppe mit den am häufigsten verwendeten Buchstaben – e, t, s – auf der linken Seite und seltener genutzten Buchstaben, dargestellt durch weitere absteigende Balken auf der rechten Seite. »Dieser abfallende Hang ist ein deutliches Zeichen dafür, dass eine informationsreiche Struktur vorliegt. Denkt darüber nach. Wenn man bedeutungslose Laute, eine willkürliche Abfolge von Buchstaben hat, werden sie alle wahrscheinlich mit derselben Häufigkeit auftreten.«
    »Das Diagramm wäre also eine waagerechte Linie«, sagte Sonia.
    »Ja. Wenn man andererseits ein Signal mit Struktur, aber ohne Informationsgehalt hätte – zum Beispiel nur eine lange Sequenz aus lauter e, wie einen reinen Ton –, bekäme man eine senkrechte Linie. Signale, die sinnvolle Information enthalten, liegen irgendwo zwischen diesen beiden Extremen. Und die Form des Diagramms sagt etwas über den Grad des Informationsgehalts aus.«
    »Was ist mit den Delphinen?«, fragte Sonia und warf Tom einen entschuldigenden Blick zu. »Ich weiß, es hat nichts mit deiner Mutter zu tun. Ich wüsste es nur gern.«
    Rosa lächelte. »In diesem Fall ist die Analyse tatsächlich ein wenig kniffliger. Bei menschlichen Sprachen ist es leicht, die Aufspaltung in natürliche Einheiten – Buchstaben, Worte, Sätze – zu erkennen: Man weiß, was man zählen muss. Bei nichtmenschlichen Sprachen wie den Pfeiflauten der Delfine ist es schwerer, die Lücken zwischen linguistischen Einheiten zu identifizieren. Aber man kann nach dem Prinzip von Versuch und Irrtum verfahren. Selbst die Pfeiftöne von Delphinen haben Lücken, also ist das ein Ansatzpunkt, und dann kann man das Signal immer weiter zerlegen und nach anderen versuchsweisen Bruchmarkierungen suchen, bis man die Aufspaltung findet, die das prägnanteste Zipf-Resultat ergibt.«
    »Und die Antwort?«, fragte Sonia.
    Rosa wedelte mit einer Hand wie eine Zauberin. Im Diagramm erschien eine neue Linie unterhalb der ersten und parallel zu ihr. »Die Pfeiftöne von Delfinen, die Lieder der Wale und einer Reihe anderer tierischer Signale enthalten Information – tatsächlich weisen sie allesamt Anzeichen optimaler Kodierung auf. Natürlich ist das Wissen, dass Informationen darin enthalten sind, nicht dasselbe wie eine Übersetzung. Wir wissen, dass die Delfine sich unterhalten, aber wir wissen immer noch nicht, worüber.«
    »Vielleicht erfahren wir es nie«, sagte Gea. »Jetzt, wo die Meere leer sind.« Sie rollte hin und her, und Reibungsfunken sprühten durch die Luft. Nicht zu glauben, dass ein Blechroboter so vorwurfsvoll wirken konnte.
    »So weit es Morag betrifft, sind wir noch nicht fertig«, sagte Rosa lebhaft. »Es gibt eine zweite Stufe der Analyse, die es uns erlaubt, noch mehr Daten aus diesen Signalen zu pressen.«
    Wie ich halb erwartet hatte, begann sie von Entropie zu sprechen. Die Zipf-Analyse zeige uns, ob ein Signal überhaupt Information enthalte, sagte Rosa. Die nun folgende Entropie-Analyse werde uns zeigen, wie komplex diese Information sei. Wenn man darüber nachdenkt, ergibt es Sinn, dass Informationstheoretiker von Entropie reden. Entropie kommt aus der Thermodynamik, der

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