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Transzendenz

Transzendenz

Titel: Transzendenz Kostenlos Bücher Online Lesen
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Wissenschaft von der Molekularbewegung, und ist ein exaktes, quantifiziertes Maß der Unordnung. Sie ist also so etwas wie ein invertiertes Maß der Information.
    Rosa zeigte uns eine neue Reihe von Diagrammen, in denen der »Shannon-Entropiewert« mit der »Entropie-Ordnung« korreliert wurde. Ich brauchte eine Weile, um das zu verstehen. Die Sache mit der Entropie nullter Ordnung war am einfachsten; dabei handelte es sich nur um eine Zählung der Anzahl von Elementen im gegebenen System, die Diversität des eigenen Repertoires – im Schriftenglisch konnten das die 26 Buchstaben des Alphabets plus ein paar Satzzeichen sein. Entropie erster Ordnung maß, wie oft jedes Elemente in der Sprache vorkam – wie oft man das e im Vergleich zum t oder s benutzte. Entropien zweiter und höherer Ordnung waren komplizierter. Sie hatten etwas mit Korrelationen zwischen den Elementen des Signals zu tun.
    »Wenn ich euch einen Buchstaben nenne, wie groß ist dann eure Chance, den nächsten Buchstaben im Signal vorherzusagen? Auf q folgt zum Beispiel für gewöhnlich u. Das ist Entropie zweiter Ordnung. Dritte Ordnung heißt: Wenn ich euch zwei Buchstaben nenne, wie groß sind dann eure Chancen, den dritten vorherzusagen? Und so weiter. Je länger die Kette der Entropiewerte, desto mehr Struktur ist im Signal.«
    Die primitivsten Kommunikationen, die wir kannten, waren chemische Signale, die von Pflanzen ausgetauscht wurden. Hier kam man nicht über die Shannon-Entropie erster Ordnung hinaus: Bei einem gegebenen Signal konnte man nicht erraten, welches das nächste sein würde. Menschliche Sprachen wiesen Entropien achter oder neunter Ordnung auf.
    Wir unterhielten uns über die Bedeutung dieser Tatsachen. Die Shannon-Entropieordnung hat etwas mit der Komplexität der Sprache zu tun. Es gibt eine Grenze für die Länge eines Absatzes oder auch nur eines einzelnen Satzes, wenn er verständlich bleiben soll – obwohl ein höher entwickelter Verstand vermutlich erheblich größere Komplexität verarbeiten könnte.
    »Und die Delfine?«, fragte Sonia.
    Leider wiesen die Pfeiftöne der Delfine nicht mehr als eine Shannon-Entropie dritter oder vierter Ordnung auf. Sie schlugen die meisten Primaten, aber nicht um Längen.
    »Sie waren wohl zu sehr damit beschäftigt, sich zu amüsieren«, sagte Sonia wehmütig.
    Während all dem hatte Tom mit finsterer Miene dagesessen. Jetzt fragte er: »Und das Signal des Mutter-Wesens? Was sagt uns deine Analyse darüber?«
    »Es besteht den Zipf-Test«, sagte Rosa. »Und was die Entropie betrifft…«
    Sie legte eine neue Linie über ihr Schaubild der Sprachen von Pflanzen, Schimpansen, Delfinen und Menschen. Sie fiel leicht ab und erstreckte sich auf der rechten Seite des Diagramms in die Ferne, weit über die menschliche Linie hinaus.
    »Die Analyse ist unzuverlässig«, erklärte Rosa. »Wie ihr euch denken könnt, sind wir noch nie einem solchen Signal begegnet. Menschliche Sprachen erreichen die Shannon-Ordnung acht oder neun. Dieses Signal, Morags Monolog, scheint mindestens dreißigster Ordnung zu sein. Ich glaube, wir müssen akzeptieren, dass der Monolog tatsächlich so etwas wie Informationen enthält. Aber sie sind in eine unglaublich abstruse Form eingebettet. Als enthielte er Schichten verschachtelter Satzteile, einander überlappende Zeitenwechsel, doppelte, dreifache, vierfache Verneinungen, und das alles in jedem einzelnen Satz…«
    »Du meine Güte«, sagte Shelley. »Kein Wunder, dass wir kein Wort verstehen.« Sie klang entmutigt, ja sogar gedemütigt.
    Auch für mich war das kein angenehmer Gedanke. Die klugen neuen künstlichen Intelligenzen wie Gea hätten auf einer solchen Skala sicherlich höhere Werte erzielt als wir – aber zumindest hatten wir sie geschaffen. Dies hier war etwas anderes; es befand sich völlig außerhalb des menschlichen Rahmens. Auf einmal würden wir uns daran gewöhnen müssen, das Universum mit einer Intelligenz anderer Ordnung zu teilen.
    »Und es kommt aus dem Mund meiner toten Frau«, sagte ich staunend.
    Erneut ging Tom bei meinen Worten an die Decke. Er stand auf und schob seinen Stuhl zurück. »Nein!«, rief er. »Das ist sie nicht. Genau darum geht es – versteht ihr das nicht? Was immer diese falsche Hülle mit Leben erfüllt und diese fremdartigen Worte hervorbringt, sie ist es nicht.« Und er stürmte aus dem Raum, ohne sich noch einmal umzuschauen.
    Sonia sah mich an, und ihr Mund formte ein stummes »Tut mir Leid«. Dann lief sie ihm

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