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Transzendenz

Transzendenz

Titel: Transzendenz Kostenlos Bücher Online Lesen
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nach.
     
    Die Versammlung löste sich auf. Ich blieb mit dem geduldigen VR-Bild von Rosa und ihren in der Luft hängenden Diagrammen zurück.
    Ich entschuldigte mich für Tom.
    »Lass ihm Zeit«, sagte Rosa. »Schließlich ist das eine seltsame Angelegenheit. Seine Mutter versucht, mit dir zu sprechen.«
    »Wenn es Morag ist.«
    »Du glaubst es, nicht wahr? Aber wir haben es hier mit einer merkwürdigen Mischung emotionaler Kräfte zu tun – sie ist immerhin deine Frau und Toms Mutter, stärkere emotionale Bande gibt es kaum –, verbunden mit dieser seltsamen symbolischen Überkomplexität. Sie muss uns irgendetwas mitteilen, so viel scheint klar zu sein, aber sie weiß offenbar nicht, wie sie es anstellen soll.«
    Darauf hatte ich keine Antwort. Ich saß einfach da, mit schwerem Kopf und schweren Gliedern; das alles war schlichtweg zu viel für mich.
    Rosa beobachtete mich aufmerksam. »Ist alles in Ordnung mit dir?«
    »Ich glaube schon.« Ich rieb mir die Schläfen. »Es passiert so viel, so verdammt viel. Ich versuche, das Hydratprojekt voranzutreiben. Ich versuche, mit Tom klarzukommen, und auch mit John und allen anderen. Sogar mit Shelley. Sogar mit dir. Und dann ist da diese Sache mit Morag, die immer seltsamer zu werden scheint. Ich will niemandem wehtun, Rosa. Schon gar nicht Tom.«
    »Das weiß ich«, sagte Rosa sanft. »Du glaubst, du bist schwach. Stimmt’s, Michael?«
    Ich zuckte die Achseln. »Was sollte ich sonst glauben?«
    »Du wirst gerade ordentlich durchgeschüttelt. Du bist von epochalen Ereignissen unserer Geschichte umgeben; du befindest dich im Zentrum eines Sturms. Und gleichzeitig bist du diesen außergewöhnlichen Manipulationen und Botschaften ausgesetzt.«
    Ich rang mir ein Lächeln ab. »Botschaften von jenseits des Grabes?«
    »Bestimmt von irgendwo anders her. Vielleicht stellt sich noch heraus, dass es eine Verbindung zwischen all diesen verschiedenen seltsamen Geschehnissen in deinem Leben gibt, und dann werden die Dinge noch komplizierter.«
    Genau wie ihr Bruder George angedeutet hatte, dachte ich beklommen. Doch es gab schon genug Verschwörungstheorien in meinem Leben.
    »Aber du befindest dich im Auge des Sturms, Michael, und du machst weiter. Du versuchst weiterhin, dein Bestes für alle zu tun. Weißt du, du erinnerst mich an den heiligen Christopherus.«
    Ich versuchte, mir mein katholisches Sagen- und Märchengut ins Gedächtnis zu rufen. »Den Schutzherrn der Reisenden?«
    »Ja. Er hatte sich erboten, den kleinen Jesus Christus über einen Fluss zu tragen. Aber der Junge wurde immer schwerer. Er erklärte Christopherus, das komme daher, dass er das Gewicht der ganzen Welt auf seinen Schultern trage. Und dennoch ging Christopherus immer weiter, setzte einen Fuß vor den anderen, bis er auf der anderen Seite angelangt war. Genau das tust du auch, Michael, und du wirst weitergehen, bis du das andere Ufer erreichst.« Sie lächelte. »Ich glaube ganz und gar nicht, dass du schwach bist.«
    Ein leiser Glockenton erklang. Offenbar hörte Rosa ihn auch, denn sie wurde in ihrem Sanktuarium in Sevilla gestört, ebenso wie ich hier.
    Der Anruf kam von John. Onkel George, Rosas Bruder, war todkrank.

 
41
     
     
    Nach Alias Rückkehr aus ihrer hypostatischen Vereinigung holte Reath sie von der klaustrophobischen, uralten Erde und brachte sie wieder in die vergleichsweise vertrauten Räumlichkeiten seines Schiffes zurück. Die sechs – Alia, Drea, Reath und die Campocs – saßen eng beieinander in Alias Kabine, während sie ihre Erfahrungen zu beschreiben versuchte.
    »Wie faszinierend«, sagte Reath. »Am Anfang besitzt man keinerlei Ichbewusstsein. Dann kommt ein Gefühl für Ereignisse, die in der Wahrnehmung zunächst unverbunden sind. Abfolge, Ordnung und Trennung muss man erst lernen. Wie erstaunlich, dass Zeit vor Raum kommt! Rekapituliert die Phylogenese die Kosmologie?«
    Drea hatte den Arm um ihre Schwester gelegt. »Reath, kannst du nicht mal den Mund halten? Alia, du sagst, du hättest Michael Pooles Gesicht gesehen?«
    Alia seufzte. »Ich glaube schon. Aber ich habe aus dem Kopf eines zu früh geborenen Babys hinausgeschaut. Eines sterbenden Babys.«
    Reath sagte: »Zu Pooles Zeit waren schon ganz kleine Babys von Natur aus darauf programmiert, auf menschliche Gesichter zu reagieren. Ein offenkundig nützliches evolutionäres Relikt. Es ist durchaus möglich, dass du wirklich sein Gesicht gesehen hast.«
    »Ich kannte das Ereignis«, flüsterte Alia. »Die Geburt.

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