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Transzendenz

Transzendenz

Titel: Transzendenz Kostenlos Bücher Online Lesen
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Kindern Glück garantieren kann.«
    Also traktierte man seine Kinder mit Drogen und Therapie. Oder man spleißte, wie John es getan hatte, ihr Genom, um sie glücklich zu machen, komme, was da wolle.
    Ich glaubte, etwas durchs struppige Dünengras gleiten zu sehen. Vielleicht eine Baumschlange, die aus Guam über Hawaii nach Florida und in andere Teile des US-amerikanischen Festlands eingewandert war. Höllisch giftig und ein übler Vogelräuber. Andererseits würzten Baumschlangenfleisch-Gerichte die Speisekarten in den Restaurants von Miami.
    Baumschlangen konnten drei Meter lang werden. Es überlief mich kalt, als ich sie durchs Gras gleiten sah. Ich drehte mich um und machte mich auf den Heimweg.
     
    Als ich zum Haus zurückkam, war es ungefähr acht Uhr morgens.
    Meine Mutter war bereits draußen. Sie arbeitete an einer Reihe von Topfpflanzen am höchsten Punkt des Gartens, im Windschatten des Hauses. Sie kniete auf einem dicken Kissen, der Gartenhilfe einer alten Frau. Aber ihre bloßen Finger waren schmutzverkrustet, und sie grub mit Lust und Liebe vor sich hin.
    Ich erinnerte mich, dass sie ihren Garten schon immer geliebt hatte. Als wir noch klein gewesen waren, hatte ich stets geglaubt, sie liebe ihn mehr als uns. Bei ihrem Anblick war ich mir nun nicht mehr so sicher, dass ich mich geirrt hatte.
    Sie schaute gereizt auf, als mein Schatten auf sie fiel. »Du hast das Frühstück verpasst«, sagte sie.
    »Ich hatte keinen Hunger.«
    »Ich mache dir was.« Sie rümpfte die Nase. »Noch besser, mach dir selbst was.«
    »Ich will wirklich nichts.«
    »Es gibt noch keine Neuigkeiten. Über Tom, meine ich.«
    »Ich weiß.«
    »Bestimmt ist alles in Ordnung. Wenn nicht, hättest du es inzwischen erfahren.«
    »Wahrscheinlich hast du Recht.« Ich setzte mich auf den Holzboden der Veranda. Sie hatte einen Krug Limonade neben sich stehen; ich nahm ein Glas entgegen.
    »Du willst mir wohl nicht hierbei helfen, was?«, sagte sie.
    »Wenn es nicht sein muss.«
    »Wohin bist du gegangen?«
    »Eigentlich nirgendwohin.«
    »Oh, du drückst dich immer so unklar aus, Michael, du machst mich wahnsinnig!«
    »Mom, der Wind vom Meer…«
    »Ich weiß. Früher war die Luft hier so sauber. Einer der Gründe, weshalb ich sie immer geliebt habe. Jetzt stinkt es wie in Manchester.«
    »Ja.« Ich sah ihr zu, wie sie verbissen an den Wurzeln ihrer Pflanzen herumbuddelte. »Das kann nicht gut für dich sein.«
    »Meine Lungen sind aus Leder. Mach dir keine Gedanken.«
    »Sie evakuieren Miami Beach, oder?«
    Sie schnaubte. »Nein, keineswegs. Niemand benutzt dieses Wort. Es gibt ein Transferprogramm. Ein Abwanderungsprogramm, wenn man so will. Flüchtlinge evakuiert man«, sagte sie streng. »Es ist ja nicht so, als stünde hier morgen alles unter Wasser.«
    Ich wusste, wie schmerzhaft dies war. Seit dem Verschwinden des Automobils aus Amerika war dies eine Zeit geworden, in dem man eher zu Hause blieb, als herumzureisen, eine Zeit der Dörfer, der lokalen Angelegenheiten. Und eng verbundenen Gemeinschaften fiel die Auflösung schwer.
    »Wir haben ein Programm von Vereinbarungen mit anderen Bevölkerungszentren«, fuhr sie fort. »In Minnesota zum Beispiel. John war bei den Ansiedlungsverhandlungen dabei.« Das hatte ich nicht gewusst. »Fünfundsiebzig hier, hundert dort. Immer Familiengruppen natürlich.« So etwas müsse geplant werden, erklärte sie. Man könne die zurückbleibende Gemeinschaft nicht einfach zerfallen lassen. Deshalb gebe es Anreizmaßnahmen, damit Lehrer, Ärzte und Staatsdiener weiterhin hier arbeiteten, obwohl sie an diesem Ort keine berufliche Zukunft hatten. »Es ist ein langfristiges Programm. Eine kulturelle Errungenschaft, auf seine Weise.«
    »Aber Minnesota ist weit weg vom Meer«, wandte ich ein.
    »Ich weiß, aber da kann man nichts machen. Schlimmer ist, dass alles« – sie wedelte vage mit ihrer Kelle – »verstreut wird. Die ganze Geschichte dieser Region. Die Kultur.«
    »Geschichte? Mom, du bist hier ein Neuankömmling. Du stammst aus England!«
    »Ja, aber das gilt für alle bis auf die Tequesta-Indianer.
    Nicht zuletzt das macht ja den Charme dieses Landes aus. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir hier bleiben, weißt du. Wir Alten. Sind alte Menschen nicht Symbole der Vergangenheit, der Kontinuität? Wenn wir gehen, wird dieser Ort einfach sterben. Und was wird dann aus den Menschen?… Es ist ein sehr seltsames Gefühl, an einem Ort zu leben, der keine Zukunft hat, das gebe ich

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