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Transzendenz

Transzendenz

Titel: Transzendenz Kostenlos Bücher Online Lesen
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zu.«
    »Mom…«
    »Es ist schon komisch, weißt du. Im Lauf meines Lebens haben sie so viele Todesursachen meiner Jugendzeit beseitigt. Krebs, Diabetes, Alzheimer, Herzkrankheit, sogar Schizophrenie – wie sich herausgestellt hat, wurden all diese chronischen Krankheiten von Infektionen ausgelöst, und sie ließen sich alle verhüten, sobald wir das richtige Virus oder Retrovirus aufs Korn nahmen. Wer hätte das gedacht? Nun gibt es nichts mehr, was einen umbringt, und deshalb lebt man einfach immer weiter. Aber dann haben sie uns stattdessen die Welt weggenommen.«
    Ich begriff, dass sie eigentlich nicht mit mir redete. Sie fuhr mit ihrer Gartenarbeit fort; geduldig grub sie vor sich hin.
     
    Ich fand John hinter dem Haus. Er fegte vom Wind herbeigetragenen Sand von der Veranda.
    Seine Miene war geistesabwesend. Ich fragte mich, ob er gerade Nachrichten über Tom hereinbekam. Wie sich herausstellte, lauschte er jedoch seinem persönlichen Therapeuten. Er grinste, berührte mein Ohr, und ich hörte eine sanfte Männerstimme: »John, Sie machen sich zu viele Gedanken über eine Situation, die Sie nicht kontrollieren können. Was nicht zu ändern ist, muss man akzeptieren, das wissen Sie doch. Nehmen Sie sich eine Stunde Zeit, dann lese ich Ihnen etwas über kognitive Rückkopplung vor, was…«
    Ich zog den Kopf weg.
    »Du solltest mal eins dieser Dinger ausprobieren«, sagte John. »Sind übrigens ein Abfallprodukt des Weltraumprogramms. Sie können sogar Medikamente verschreiben. Soll ich was für dich ausmachen?«
    »Nein danke.«
    Er trat auf mich zu. Unsere Nähe in der vergangenen Nacht war wieder der üblichen Rivalität gewichen; im schräg einfallenden Morgenlicht sah sein eckiges Gesicht grob und hässlich aus. »Nach Morag hast du nie eine Drogentherapie gemacht, stimmt’s? Du weißt, die Bildung traumatischer Erinnerungen lässt sich vollständig blockieren. In den Stunden unmittelbar nach dem Ereignis nimmt man einfach die richtige Pille – dabei geht’s um die Proteinbildung oder so –, na ja, was Morag betrifft, ist es jetzt wohl zu spät für dich, aber…«
    »Dann hast du also angefangen, deine Kinder mit Pillen zu füttern, nachdem Inge euch verlassen hat, wie?«
    Er zuckte zusammen, fauchte jedoch zurück: »Die hatten das nicht nötig. Du hingegen…«
    Mein Zorn, meine Frustration und Hilflosigkeit machten sich endlich Luft. »Weißt du, was das Problem mit dir ist, John? Schon dein ganzes verdammtes Leben lang? Du dokterst nur an Symptomen herum und befasst dich nicht mit den Ursachen. Du manipulierst deine Kinder, damit sie nie traurig sind. Du hörst einer blechernen Stimme in deinem Ohr zu und wirfst deine verdammten Pillen ein, damit du bloß keine Narben davonträgst, wenn dir was Schlimmes passiert, und sei es, dass deine Frau dir den Laufpass gibt. Und auch bei deiner Arbeit geht es nur um Symptome. Die Küsten werden überflutet? Macht nichts, verteilen wir eben den verbliebenen Reichtum ein bisschen weiter. Die Atlantikküste wird jedes Jahr von einem Dutzend Hurrikanen heimgesucht? Hängen wir noch ein paar Nullen an den Streitwert des Prozesses gegen die Chinesen dran. Du unternimmst nicht das Geringste gegen die Grundursache all dieser Dinge, nicht wahr?«
    »Das ist nicht mein Job«, sagte er. Seine Stimme war sanft, als wäre ich bloß ein wütender Klient, was mich noch mehr in Rage brachte. »Michael, ich verstehe ja, wie du dich fühlst…«
    »Ach, leck mich.« Ich machte auf dem Absatz kehrt und marschierte davon.
    »Wenn ich etwas von Tom höre, sage ich dir Bescheid«, rief er mir nach. »Lass dein Implantat eingeschaltet…«
    Ich würdigte ihn keiner Reaktion. Es war nicht gerade einer meiner besten Momente. Ich stampfte ums Haus herum und versuchte, mich zu beruhigen.
    Im Garten spielten die Kinder wieder mit ihrem intelligenten Fußball. Sie trugen beide Masken, hauchdünne, transparente Dinger, vermutlich, um sich gegen die stinkende Brise aus China zu schützen. Sie begrüßten mich freundlich, und ich spielte eine Weile mit, schoss Volleys und köpfte. Ich war schon immer ein lausiger Fußballspieler, und daran wird sich auch nichts mehr ändern, aber sie waren nervtötend nett.
    Also verbrachte ich Zeit mit ihnen, mit Sven und Claudia, Johns schönen Kindern, meiner Nichte und meinem Neffen. Aber ich fühlte mich unwohl dabei.
    Einmal rollte der Ball vom nackten Betonboden des Gartens und landete im langen, struppigen Dünengras. Man sah, wie er hin und her

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