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Transzendenz

Transzendenz

Titel: Transzendenz Kostenlos Bücher Online Lesen
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letzten Jahrhunderts oder noch länger zurückliegenden Zeiten. Die meisten waren Geschenke von Onkel George, der als Kind alte Bücher gesammelt hatte. »Die könnten einiges wert sein.«
    »Sie haben mir gehört, weißt du«, sagte ich zu hastig.
    Er hob die Hände, ein leises, spöttisches Lächeln im Gesicht. »Das bestreite ich gar nicht.« Er zog ein paar Exemplare heraus, nahm sie aus ihren Mylar-Schutzhüllen und blätterte sie durch. »Nicht gerade in sonderlich gutem Zustand«, sagte er. »Siehst du, wie vergilbt das hier ist – hat zu lange in der Sonne gestanden.«
    Ich richtete mich auf. »Ja. Aber ich würde sie ohnehin nicht verkaufen wollen. Und außerdem ist der Sammlermarkt für dieses Zeug nicht mehr derselbe wie früher.«
    »Nein?«
    »Es ist zu alt. Wir sind alle zu alt. Für jedes Sammlerstück gibt es eine demografische Kurve. Als Sammler ist man mit dreißig, vierzig Jahren auf dem Höhepunkt – alt genug für Nostalgie, reich genug für ein verfügbares Einkommen und jung genug, um es für dummes Zeug auszugeben. Aber Science-Fiction ist viel älter. Schnee von gestern.«
    »Es war schon Schnee von gestern, als wir noch klein waren«, erwiderte er. »Ich habe nie verstanden, was du an dem Zeug gefunden hast.«
    »Ich weiß«, sagte ich gereizt. »Das ist der Unterschied zwischen uns.« Ich ließ den Blick über das Bord schweifen und zog einen Roman heraus. »Die Literatur selbst liest niemand mehr, aber sie ist immer noch von einer wissenschaftlichen Tradition umgeben. Und sie übt eine gewisse Faszination aus, John. All diese verlorenen Zukünfte.« In meiner Jugend war die Zukunft noch ein heller, freundlicher Ort gewesen, ein Ort, wo ich leben wollte. Durchaus möglich, dass wir alle uns schon damals etwas vorgemacht hatten – der Artenschwund war bereits im Gange –, aber so hatte es sich eben für mich angefühlt. Wenn man heutzutage überhaupt über die Zukunft nachdachte, dann war sie so etwas wie ein finsterer Ort, der einen auslöschen würde, eine Art Krankenhaus, ein Platz zum Sterben. Ich stellte das brüchige alte Buch wieder ins Regal. »Das ist ein fortschrittsfeindlicher, beinahe mittelalterlicher Standpunkt. In philosophischer Hinsicht entwickeln wir uns zurück.«
    »Aber dieses Zeug – fantastische Träume von Raketenschiffen und Außerirdischen – das hat mich schon immer abgestoßen. Es kam mir nie real vor.«
    »Aber die Zukunft ist real«, sagte ich. »Es ist absurd, sie zu ignorieren. Genauso gut könnten wir beschließen, nicht an den Mount Everest oder den Pazifik zu glauben. Sie sind trotzdem da, selbst wenn wir die Augen schließen. Die Zukunft kommt, ob es uns gefällt oder nicht. Die Welt verändert sich, und wir verändern uns auch. Die Zukunft muss anders sein als die Vergangenheit.«
    »Aber das interessiert niemanden mehr«, sagte John brutal. »Und du haderst doch bloß damit, dass die Zukunft offenbar keinen Platz für Menschen wie dich hat. Für Ingenieure. Menschen, die etwas bauen wollen. Menschen, die in den Weltraum fliegen wollen! Tja, wir sind zu sehr damit beschäftigt, das zu reparieren, was wir bereits kaputtgemacht haben, um etwas Neues zu bauen.«
    Er hatte Recht. Das Raumfahrtprogramm war mein Leben lang eine große Enttäuschung für mich gewesen. Fast achtzig Jahre nach Neil Armstrong war noch immer niemand auf dem Mars gelandet; seit den Mondspaziergängern hatte niemand mehr die Erdumlaufbahn verlassen. Wir hatten nicht einmal eine Sonde zur Kuiper-Anomalie hinausgeschickt. Die Klimaerwärmung hatte unsere gesamten Energien geschluckt, und der gewaltige Schock der Jahrestagsbomben im Jahr 2033 hatte uns noch mehr erschüttert. Wir waren so damit beschäftigt, mit einem Bündel destruktiver Veränderungen nach dem anderen fertig zu werden, dass wir die Ressourcen unserer Zivilisation allein schon für die Bewahrung des Stillstands verwandten und von interplanetaren Abenteuern nicht einmal träumten.
    John wusste vermutlich, dass ich an einer Konstruktionsstudie für eine neue Raumschiffgeneration arbeitete. Aber ich verdiente damit so gut wie nichts, und die Schiffe würden höchstwahrscheinlich niemals starten – es war ein Hobby, ein Papiermodell, so wie ich früher einmal Modelle der Internationalen Raumstation aus Plastik, Farbe und Abziehbildern gebaut hatte. Vielleicht war das der Beweis dafür, dass er Recht hatte.
    John setzte sich auf sein Bett und lehnte sich an die Wand, die großen Footballspielerhände hinter dem Kopf

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