Transzendenz
Nervosität wuchs. Ich kam mir vor, als wäre ich in einem Traum gefangen, als käme ich einfach nicht schneller voran. Ich wollte nicht hier sein und mich mit all dem herumschlagen, eine mangelhafte VR-Projektion an diesem schrecklichen, trostlosen, traumartigen Ort, wo Gebäude in den Boden schmolzen.
Gerade als ich diesen Tiefpunkt erreicht hatte, sah ich sie: eine schmale Gestalt, der helle Fleck eines Gesichts, ein Aufblitzen rotblonder Haare.
Sie stand auf meinem Weg, aber weit vor mir, vielleicht einen halben Kilometer entfernt. Sie rief etwas und zeigte auf das Dorf an der Küste, aber ich konnte sie nicht hören. Ich versuchte, mich auf sie zu konzentrieren, doch als ich sie direkt anstarrte, schien sie zu verschwinden, mit Schatten und Wolken zu verschmelzen; ich sah sie nur deutlich, wenn ich sie nicht anschaute.
In VR-Welten waren Phantome nicht so ungewöhnlich. Oftmals wischte das System über etwas hinweg, was es nicht zu sehen erwartete, und löschte es vollständig aus seiner Realität. Dann wiederum zeigte es einem etwas, was nicht wirklich da war, ein Konstrukt aus schlecht dargestellten Schatten und Glanzlichtern, eine Interpretation von Objekten, die es nicht erkannte. Sie konnte ein Artefakt des visuellen Verarbeitungssystems sein.
Sie war jedoch kein Artefakt, das wusste ich tief im Innern. Es war Morag. Selbst hier drin, in der VR-Realität, ließ sie mich nicht in Ruhe. Aber ich hatte im Augenblick keine Zeit für solche Dinge.
Ich marschierte weiter durch die Landschaft. Morag kam nicht näher, entfernte sich jedoch auch nicht von mir. Sie wich nur mit kaum merklichen, geheimnisvollen Bewegungen zurück. »Verschwinde!«, rief ich. »Ich bin wegen Tom hier, nicht deinetwegen!« Ich senkte den Kopf und starrte auf meine VR-Füße, die über den zerklüfteten Boden tappten.
Als ich wieder aufblickte, war sie fort.
Schließlich erreichte ich die kleine Ansiedlung. Es waren alles in allem vielleicht ein Dutzend in einem groben Gittermuster angeordnete Gebäude. Ein paar Autos parkten auf den ausgefahrenen Wegen, große, zerbeulte Geländewagen mit winzigen Motorräumen, die wie frühe Wasserstoffverbrenner aus dem Jahr 2020 aussahen. Hier gab es keine Kapselbusse, dachte ich.
Überall waren Menschen. Einige von ihnen eilten zielstrebig zwischen den Gebäuden umher und unterhielten sich im Maschinengewehrtempo in einer Sprache, die ich nicht verstand. Andere hatten sich zu kleinen Grüppchen versammelt; einige von ihnen weinten. Sie wirkten alle gedrungen, klein und rundlich, und sie trugen schwere Mäntel und Stiefel – Kunstfasern in grellen Neonfarben, keine Robbenfelle oder was immer ich erwartet hatte. Es schien ein Gemisch verschiedener Völker zu sein, einige rundgesichtige Asiaten, andere noch offenkundiger Europäer, sogar mit blonden Haaren und blauen Augen. Ich wusste andeutungsweise, dass die Sowjets Sibirien im letzten Jahrhundert als riesiges Arbeitslager benutzt hatten; vielleicht stammte diese gemischte Bevölkerung teilweise von Häftlingen oder Exilanten ab.
Sie hatten harte Gesichter und wirkten müde. Und sie waren alle mit Schlamm bespritzt. Obwohl man mir hin und wieder einen Blick zuwarf, erregte ich keine Neugier, und niemand begrüßte mich. Ich ging weiter durch die Ortschaft.
Die meisten Gebäude waren Hütten mit Holzwänden. Aber ich sah auch ein paar runde Zelte, die offenbar aus Leder bestanden: Vielleicht waren es Yurten, dachte ich, wie sie die Mongolen früher in anderen Teilen dieses riesigen Landmeeres errichtet hatten. Und es gab Bauten, die Tipis ähnelten, oben zusammengebundene Zeltstangen, aber nicht mit Tierhäuten, sondern mit Strauchwerk und getrockneter Erde verkleidet. Bänder baumelten von Stangen: Gebetsbänder, wie ich später erfuhr, aufgehängt von Menschen, die immer noch Schamanismus und Animismus praktizierten, Menschen, die nur etwa eine Generation von einem Leben als Jäger und Sammler wie auch von der Vorstellung entfernt waren, dass das Land von Geistern wimmelt. Falls das zutraf, so waren die Geister an diesem Tag nicht allzu gnädig gestimmt. Die seltsame Absenkung des geschmolzenen Bodens hatte einige der solideren Gebäude in Mitleidenschaft gezogen. Eine kleine, mit einem Kreuz geschmückte Hütte, vielleicht eine christliche Kirche, war in spektakulärem Winkel geneigt. Die Yurten und Tipi-Bauten schienen jedoch mehr oder weniger aufrecht zu stehen. Wenn der Boden nachgab, konnte man sein Zuhause vermutlich einfach
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