Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Transzendenz

Transzendenz

Titel: Transzendenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
selten. Aber natürlich hing der Dunst in der Luft, der unsichtbare Bestand der Nanomaschinen und genmanipulierten Kleinstlebewesen, von denen es in der Atmosphäre und den Meeren jedes menschlichen Planeten wimmelte. Alia blieb reglos stehen, um sich vom Dunst wieder aufbauen zu lassen. Ihre Knochen und Muskeln kribbelten, als sie gekräftigt wurden, um mit der hohen Schwerkraft fertig zu werden, und die Luft, die sie in ihre Lungen sog, wurde mit Sauerstoff angereichert, bis sie geradezu sprudelte. Die Kälte wurde von ihrem Körper fern gehalten, aber sie schmeckte die salzhaltige Luft im Mund, das scharfe, stark salzige Aroma des Weltmeers.
    Obwohl die Plattform hoch über den Wellen hing, schaukelte und schwankte sie leicht, und das Ankerkabel knarrte laut. Die Bewegung war schwach, aber äußerst beunruhigend.
    »Keine Angst«, rief Reath über den Wind hinweg, »uns kann nichts passieren. Es liegt nur daran, dass unter uns ein hundert Kilometer langes Kabel ist! Es kann noch so stark gespannt sein, man spürt trotzdem die Vibration, die Resonanzen. Das Kabel ist eine Saite, die vom Ozean angeschlagen wird! Wenn es ganz schlimm kommt und das Kabel reißt, fliegen wir dank der Antigravitationsheber durch die Wolken ins All.«
    »Ich glaube, mir wäre es sogar lieber, wenn es reißt«, sagte sie und trat vorsichtig an den Rand der Plattform. Es gab kein Geländer, keine Barriere zwischen ihr und dem abgrundtiefen Meer. So nah beim Rand nahm der Wind an Stärke zu, und auf dem Wasser unten rollten Wellen grollend hin und her. »Ich bin froh, dass wir außer Reichweite dieser Wellen sind.«
    »Das sind wir – meistens. Denk daran, hier gibt es kein Land, Alia, nichts, woran die Wellen brechen könnten. Ein Wellensystem kann einfach immer weiter reisen, mehr und mehr Energie sammeln…«
    »Wie die Hurrikane.«
    »Aber für heute sollten wir davor bewahrt bleiben, weggespült zu werden.«
    Sie schaute sich auf der Plattform um. Außer dem schlanken Rumpf ihres Flitzers, der vom Sprühwasser glitzerte, gab es hier nur eine Traube vollautomatischer Sensoren. »Weshalb sind wir hierher gekommen, Reath?«
    »Wegen der Menschen«, sagte er. »Weil es hier Menschen gibt, müssen wir hierher kommen. Das Commonwealth, meine ich. So lautet der Auftrag der Transzendenz.«
    »Woher sollen sie wissen, dass wir hier sind? Wir können sie nicht integrieren, wenn wir sie nicht finden!«
    Er hielt sich eine Hand ans Ohr. »Hörst du es nicht?«
    Sie runzelte die Stirn, konzentrierte sich und verstärkte ihr Gehör. Schließlich nahm sie ein tiefes Dröhnen weit unterhalb des üblichen menschlichen Hörbereichs wahr.
    »Das ist eine Bake«, sagte er. »Unter Wasser kann man sie viele hundert Kilometer weit hören.«
    »Sie leben unter Wasser?«
    »Wo sonst, auf einer solchen Welt? Sie werden schon kommen.«
    »Wie denn? Schwimmen sie hierher?«
    Er grinste. Sein Gesicht glänzte vom Sprühwasser.
    Sie trat näher an den Rand und schaute in die aufgewühlte See hinunter. Aber von den schwimmenden Bürgern war nichts zu sehen.

 
7
     
     
    Auf einmal stand ich im Freien.
    Ich befand mich auf einer Ebene. Der Boden war mit Gestrüpp bewachsen und von Gruben zernarbt, die manchmal den Löchern ausgegrabener Baumstümpfe ähnelten, manchmal auch größer waren. Der Himmel war ein Wolkendeckel, ein ausgewaschenes Grauweiß, das alle Farbe aus der Landschaft zu saugen schien. Ich spürte einen leichten Wind im Gesicht und roch und schmeckte Salz, überlagert vom Gestank nach faulen Eiern, Sumpfgas vielleicht. Aber in einer VR sind die Sinneswahrnehmungen immer eingeschränkt; niemand will gutes Geld für einen schlechten Geruch zahlen, auch wenn er noch so authentisch ist.
    Vor mir stand eine Industrieanlage, eine Ansammlung gedrungener Betonblocks mit zinnenartigen Ornamenten aus Aluminiumrohren und Ventilatoren. Eine rostige Pipeline stakste auf spindeldürren Stützböcken durch die Landschaft. Die ganze Anlage war von einem mindestens doppelt mannshohen Maschendrahtzaun umgeben; er wurde offenbar durch eine elektrische Barriere verstärkt. Nirgendwo rührte sich etwas, kein Mensch war zu sehen; der Beton war fleckig, die Gebäude wirkten verlassen. Als ich dort stand, ein Geist in der Landschaft, bekam ich schon allein beim Anblick dieser Gebäude ein flaues Gefühl im Magen, obwohl ich zunächst nicht wusste, warum.
    Dies war Sibirien, die Tundra, und es war Frühling. Zu meiner Linken und meiner Rechten erstreckte sich die

Weitere Kostenlose Bücher