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Transzendenz

Transzendenz

Titel: Transzendenz Kostenlos Bücher Online Lesen
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Higgs als Raumschiffantrieb einsetzen könnte. Wir werden wie die Schiffbauer der Renaissance sein, die genau zu dem Zeitpunkt, an dem Kolumbus sich einschiffen will, ein Patent auf die Segeltechnik halten…«
    Shelley stellte rasch ein Team aus einer Reihe freier Mitarbeiter wie mir zusammen und sorgte dafür, dass wir von diversen anderen Firmen alle erforderlichen Informationen über spezielle Aspekte bekamen. Wir trafen uns nur selten; fast alles wurde über die verfügbaren Kommunikationsmedien erledigt, während Shelleys »Papier«-Studie, in Wahrheit eine Software-Abstraktion, zu immer höheren Ebenen der Detailgenauigkeit reifte.
    Kuiper war eine nahe liegende Anwendung der Higgs-Technologie. Aber für mich war es nicht mehr als ein erster Schritt bei der Nutzung dieser wunderbaren Energiequelle als Antrieb für Dampfraketen. Auf lange Sicht, träumte ich, konnten wir durch die Beherrschung des Higgsfelds die Trägheit selbst unter Kontrolle bekommen: Wir konnten die Masse verbannen. Ich stellte mir einen Tag vor, an dem riesige Schiffe von einer Welt zur anderen schweben würden, leicht wie Daunenfedern.
    Mein Gott, ich liebte die Arbeit. Sie warf nicht viel ab, aber sie sorgte dafür, dass ich nicht durchdrehte.
     
    Shelley beendete ihre rasche Überprüfung. »Na, da haben Sie ja noch nicht allzu viel Mist gebaut. Aber Ihre Gedanken müssen bei Tom sein. Meine wären es jedenfalls.«
    Ich versuchte, ihr etwas über meine Beziehung zu Tom zu erzählen. »An dem Tag, als Morag gestorben ist, hat sich alles verändert«, sagte ich. »Ich habe zehn Jahre gebraucht, um darüber hinwegzukommen. Falls es mir überhaupt schon gelungen ist. Und Tom…«
    »Tom denkt, Sie vermissen das tote Baby mehr, als Sie ihn lieben. Ist es das?«
    Ich war schockiert. »Das stimmt nicht«, sagte ich. »So war es nie.«
    »Vielleicht nicht«, sagte Shelley. »Aber so etwas bleibt haften.«
    »Woher wollen Sie das wissen?«
    Sie schaute ein wenig unbehaglich drein. »Als ich noch jünger war, gab es starke Rivalitäten zwischen mir und meinem Vater. Er war ein harter Bursche. Mit dummen Leuten habe er keine Geduld, sagte er immer. Aber das Problem war, dass er nicht zwischen einem echten Dummkopf und einem Kind unterscheiden konnte, das etwas lernen wollte.«
    Ich hörte aufmerksam zu; sie hatte mir bisher nur wenig über ihre Vergangenheit erzählt. »Ich glaube, ich erinnere mich an ihn.«
    »Oh, Sie haben ihn während meiner Zeit am College kennen gelernt. Bei den Elternabenden hat er sich immer von seiner Schokoladenseite gezeigt. Und er war nie grausam. Auf seine Weise war er sogar liebevoll. Aber seine Weise war ein Strom von herabsetzenden Bemerkungen. In meiner Jugend dachte ich, ich könnte nie gut genug für ihn sein – bis ich eines Tages beschloss, ihn zu besiegen.«
    »Und deshalb schuften Sie sich zu Tode.« Seit unseren College-Tagen, als ich ihr Tutor gewesen war, diskutierten wir immer wieder über ihr Arbeitspensum und dessen Auswirkungen auf ihre Gesundheit.
    »Jedenfalls ist diese Rivalität haften geblieben. Und dann ist er gestorben, bevor ich die Chance hatte, ihn entweder zu besiegen oder das Rennen aufzugeben… Und jetzt sitze ich damit da.« Sie funkelte mich an. »Niemand kommt ohne Narben aus der Vergangenheit heraus. Man muss damit fertig werden und weitermachen. Im Augenblick ist Tom das Einzige, was zählt.«
    »Okay«, sagte ich. »Aber vielleicht ist es doch ein bisschen komplizierter.«
    Ich dachte an Morags Besuche.
    Ich verspürte den Impuls, es ihr zu erzählen, ihr alles zu beichten. Ich hatte noch nicht einmal John davon erzählt. Allmählich dachte ich, ich sollte mich jemandem mitteilen. Aber so gut ich Shelley kannte, ich hatte keine Ahnung, wie sie darauf reagieren würde. Vermutlich hatte ich Angst, sie zu verlieren.
    Möglicherweise spürte sie intuitiv, dass ich verwirrt war, auch wenn sie nicht wusste, weshalb. Sie beugte sich vor. »Konzentrieren Sie sich auf Tom«, sagte sie. »Das Projekt braucht Sie jetzt nicht. Aber er.«
    Ich nickte. Der Moment ging vorbei, und mein Geheimnis blieb noch ein wenig länger gewahrt.

 
10
     
     
    Während ihrer langen interstellaren Ausflüge in der klösterlichen Stille seines Schiffes ermutigte Reath Alia, die Geschichte der Menschheit zu studieren. »Wenn du nicht weißt, woher du kommst«, pflegte er zu sagen, »weißt du erst recht nicht, wohin du gehst.«
    Und bei diesen Studien, wie auch im Verlauf ihres ganzen bisherigen Lebens, war

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