Transzendenz
Welt, in der künstliches Ichbewusstsein zur Ware und zum Bestandteil des Alltagslebens geworden ist. Viel schwerer ist es, etwas vorherzusagen, was völlig unerwartet kommt, aus dem Nichts sozusagen. Ich war noch ein Kind, als die astronomischen Observatorien in der Erdumlaufbahn die Biografie des Universums vom Urknall bis zur Gegenwart bestätigten. Und aus jener großen kosmologischen Revolution ist eine neue Energiequelle für Autos, Flugzeuge und Städte hervorgegangen – und vielleicht für Raumschiffe. Wer hätte das gedacht?
Ich nicht, so viel stand fest. Als ich gegen Ende der 2020er Jahre diese plötzlichen Entwicklungen in der technischen Literatur verfolgte, war ich alarmiert.
Für meine berufliche Laufbahn hätten sie nicht unbedingt eine Rolle spielen müssen. Wir hatten das New Yorker AKW gerade erst in Betrieb genommen, und andere Kraftwerke derselben Bauart sprossen in der Umgebung der Großen Seen sowie in Nevada und Kalifornien aus dem Boden. Großtechnologien haben eine hilfreiche Trägheit; man kann nicht die ganze Infrastruktur wegwerfen, nur weil irgendjemand irgendwo eine schlaue Idee gehabt hat.
Tatsache war jedoch, dass jemand diese schlaue Idee gehabt hatte.
Die ersten Ansätze einer neuen, langfristigen nationalen Energiestrategie bildeten sich heraus, geboren aus bereits vorhandenen Trends, vor allem dem qualvollen amerikanischen Ölentzug und den von Higgs eröffneten Möglichkeiten. Das Schlagwort hieß »Generationsverteilung«. Jeder Block, jedes Haus würde zu einer Quelle von Energie aus Fotovoltaik-Zellen, Windturbinen auf dem Dach und vielleicht sogar Biokraftstoff-Früchten im Garten werden. Und alle würden an ein lokales Mikronetz angeschlossen sein, aus dem man bei Bedarf Energie bezog, sie in Wasserstoffbrennstoffzellen im Keller speicherte und sogar zurückverkaufte, wenn man einen Überschuss hatte. Die Mikronetze sollten zu größeren regionalen, nationalen und internationalen Netzen verbunden werden, gestützt auf zentrale Netzknoten – in der ersten Phase noch Kraftwerke auf Basis bereits existierender Technologien, einschließlich alter Kohlenwasserstoffbrenner und unserer neuen Atomreaktoren. Diese würden jedoch vom Netz gehen, sobald sie ihre Entwicklungskosten wieder hereingebracht hatten, und von Higgs-Generatoren ersetzt werden. Die dezentrale Energieversorgung würde auf jeder Stufe robust, sauber und umweltfreundlich sein und von künstlicher Intelligenz strotzen. Die Administration trieb die entsprechenden Gesetze voran, mit denen beispielsweise die Versorger gezwungen werden sollten, Energie von jedem Einspeiser zu kaufen. Es war eine wunderschöne Vision.
Aber auf sehr lange Sicht gab es keinen Platz mehr für die Atomkraft-Technologie, und ich erkannte sofort, dass mein selbst gewähltes Fachgebiet eine konzeptuelle Sackgasse war. Ich hätte den Rest meines Arbeitslebens mit Instandhaltungsprojekten verbringen können, aber alle kreativen Energien und die umfangreichen staatlichen Mittel für Forschung und Entwicklung würden sich zu Recht auf die neuen Higgsfeld-Technologien konzentrieren. Mein New Yorker Atommeiler war schon überholt, als er in Betrieb ging – und das Gleiche galt in gewissem Sinn auch für mich, obwohl ich erst Anfang dreißig war. Ich konnte es nicht ertragen. Ich wollte an vorderster Front stehen.
Damals stritt ich mich mit Morag. Sie wies mich darauf hin, dass wir ein Kind hatten und die Familienplanung damit noch keineswegs abgeschlossen sei. Ich könne nicht erwarten, von der Welt alimentiert zu werden, sagte sie, ganz gleich, wie energisch ich meine Träume verfolge.
Aber ich hörte nicht auf sie. Mit vierunddreißig kündigte ich und nahm eine akademische Stelle an der Cornell University an. Ich würde unwilligen Studenten die Grundlagen der Physik beibringen und zugleich die neuen Higgsfeld-Technologien erforschen, um selbst beruflich voranzukommen.
Es funktionierte nicht. Es gab bereits eine ganze Generation graduierter Studenten, die praktische Kenntnisse über die neuen prototypischen Energiesysteme auf Grundlage des einheitlichen Feldes besaßen – und ich war mit vierunddreißig schon zu alt. Ich verdiente mir weiterhin meinen Lebensunterhalt, hatte mich jedoch in eine weitere Sackgasse manövriert und wurde erheblich schlechter bezahlt. Ich war unglücklich. Morag war natürlich ebenfalls unglücklich, unglücklich über meine Entscheidungen und darüber, wie sich alles entwickelt hatte. Wir liebten uns, aber
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