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Transzendenz

Transzendenz

Titel: Transzendenz Kostenlos Bücher Online Lesen
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trat nach dem kleinen Roboter. Sein Fuß ging glatt durch ihn hindurch, und der Roboter zerstob zu Pixeln, die rasch wieder miteinander verschmolzen. Grummelnd ratterte er aus dem Zimmer. »Kleiner Scheißkerl«, sagte George.
    Wie sich herausstellte, war das Konstrukt die VR-Kopie eines Spielzeugs aus Georges längst vergangener Kindheit, ein Roboter aus einer vergessenen Fernsehserie namens The Link.
    »Ich hätte nie gedacht, dass du ein Nostalgiefreak bist, George.«
    »Tja, man muss einen persönlichen Betreuungsassistenten haben.« George spie die Worte geradezu aus. »Du hättest mal die anderen Entwürfe sehen sollen. Wenn er nicht so ein begnadeter Schachspieler wäre, hätte ich ihn schon längst verwürfelt. Kleiner Scheißkerl.«
    Während wir redeten und George mir etwas zu essen machte – ein leichtes italienisches Pastagericht mit gebackenem Fisch, lecker, wenn auch mit ein bisschen viel Knoblauch –, fuhren das Haus und alles darin fort, ihn zu bemuttern. George reagierte meist mit einem fröhlichen Fluch, aber er nahm seine Tabletten und befolgte die Vorschriften.
    Er musste nur deshalb ein solches Leben führen, weil die Familie – ich – nicht da war, um sich mehr um ihn zu kümmern. Der Bevölkerungsanteil der Älteren war während Georges Lebensspanne erheblich gewachsen. Er sagte gern, dass die Pendler, die früher einmal jeden Tag von hier aus zur Arbeit gefahren waren, im Alter nun alle zurückgekommen seien »wie ein Schwarm alter Möwen zu ihrem Nistfelsen«. Aber es waren nicht genug junge Leute da, die sich um sie kümmern konnten, selbst wenn es uns ein echtes Bedürfnis gewesen wäre. Also mussten die Roboter einspringen. George sagte, er wisse nicht, wie wir ohne künstliche Intelligenz zurechtgekommen wären – wenn die Maschinen nicht die Fürsorgepflichten des Staates für dessen Bürger übernommen hätten. »Vielleicht hätten sie uns alle zur Arbeit geschickt, in den Sonnental-Gulag des Lebensabends. Obwohl Euthanasie einfacher wäre.«
    Ich war im Stillen dankbar für die einfühlsame Intelligenz der Designer, die George als Pflichtbegleiter einen Schach spielenden, meckernden Spielzeugroboter zur Seite gestellt hatten und keine gleichgültige, seelenlose menschliche Altenpflegerin.
     
    Nach dem Essen unternahmen wir einen Spaziergang. George wollte mir den neuen Wirtschaftswald zeigen, der am Stadtrand heranwuchs. »Ganz in der Nähe der Straße nach Stockport«, sagte er. »Sind nur ein, zwei Kilometer. War früher mal ein Golfplatz. Kein Mensch spielt heute mehr Golf. Gut so.«
    Also gingen wir spazieren. Es war ein milder Tag, das Sonnenlicht dunstig und blass. Die Luft schien einigermaßen frisch; mir stieg nur ein leiser Hauch von Gift in die Nase, ein saurer Geruch wie nach zerquetschten Ameisen.
    Der Weg war ein wenig beschwerlich. Der Straßenbelag bestand größtenteils aus Silberdecke, damit die Kapselbusse und Rikschas durchkamen, aber die Bürgersteige waren kaum benutzt, rissig und von Unkraut überwuchert. Man musste aufpassen, wohin man trat. George hatte exoskelettale Stützen bekommen, erklärte aber, er habe die »rasselnden Schienendinger« in ein unbenutztes Zimmer eingeschlossen. Mit seinem Stock kam er jedoch ziemlich gut voran.
    Der vor sich hin schimpfende Haushaltsroboter folgte uns, projiziert von einer Hundemarke um Georges Hals.
    Unterwegs entfernte sich unser Gespräch allmählich von meiner Arbeit an Kuiper, bis ich George schließlich von Tom und seinem Unfall erzählte. Tatsächlich wusste George bereits Bescheid. Er verfolgte die Nachrichten über Tom und andere Familienmitglieder; in einer verdrahteten Welt ist immer irgendwo eine Kamera in der Nähe. Ich berichtete ihm von unserer Begegnung in dem tristen Hotel in Heathrow. George hörte zu, und obwohl er nicht viel sagte, schien er mich zu verstehen.
    Mit dem Thema der Wasserfontäne und der Gashydrate beschäftigte er sich eingehender. »Wie werden diese Gase gespeichert? Gibt es eine kritische Temperatur, bei der sie freigesetzt werden? Wie groß ist die Gesamtmenge genau?…«
    Er stellte intelligente Fragen; schließlich war er selbst einmal Ingenieur gewesen. Er hatte im Software-Bereich gearbeitet, bis er, wie er gern sagte, von Moores Gesetz überflüssig gemacht worden war, der unablässigen Steigerung der Rechenleistung. Während seines Berufslebens waren die ersten, der menschlichen Intelligenz adäquaten KI-Systeme zu einem für den Durchschnittshaushalt erschwinglichen Preis

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