Transzendenz
Hand; die Haut war papieren, leberfleckig, aber warm. »Wir haben einen Haufen Gene gemeinsam, George«, sagte ich. »Wie viel, ein Viertel? Du lebst durch mich weiter. Und durch Tom. Aber wenn du den Baum willst, sorge ich dafür, dass du ihn kriegst.«
»Danke«, sagte George.
Der Roboter, der neben uns stand, surrte leise. Ich fragte mich, was er von unserem Gespräch hielt.
»Jedenfalls«, sagte George behutsam, »sind es nicht bloß Tom und die Gashydrate, die dir auf der Seele lasten, nicht wahr?«
Ich verstand sofort, was er meinte. »John hat auch dich angerufen, stimmt’s? Er hat dir von Morag erzählt. Dieses Arschloch.«
»Er meint es gut«, sagte George ein wenig zweifelnd. »Das glaube ich zumindest. So ist das nun mal mit der Familie. Sie kann einen aufrichten und einem mit der gleichen Geste ins Gesicht schlagen.«
»Und was ist mit dir? Glaubst du auch, dass ich verrückt bin?« Der Roboter sah mich warnend an, und ich merkte, dass ich George richtiggehend angeschnauzt hatte. »Entschuldige«, sagte ich.
»Natürlich nicht«, sagte er. »Ich glaube dir. Wieso auch nicht? Die Welt ist ein seltsamer Ort; ich habe lange genug gelebt, um das zu wissen. Und du bist mir immer vernünftig erschienen. Ich habe aber einen Rat für dich. Besuche Rosa.«
»Rosa?«
»Meine Schwester, deine Tante. Weißt du, sie hat eine… merkwürdige Vorgeschichte.« Er hatte mir einmal erzählt, dass sie von zu Hause weggebracht und von einem heiligen Orden in Rom aufgezogen worden war, einer sonderbaren, nach innen gewandten Gemeinschaft irgendwelcher Matriarchinnen, die er als »Koaleszenz« bezeichnet hatte. »Sie hat das alles schon vor Jahren hinter sich gelassen. Als sie wieder Verbindung mit mir aufgenommen hat, war sie ordiniert und arbeitete als katholische Priesterin in Spanien.«
»Ich soll mich mit einer Priesterin treffen?«
»Du denkst, du wirst von einem Geist heimgesucht. Mit wem willst du sonst sprechen? Hör zu, ich stelle den Kontakt für dich her. Sie gehört zur Familie. Und ich wette, deine Story wird nicht die einzige Gespenstergeschichte sein, die sie in ihrem Leben gehört hat.«
»Ich werd’s mir überlegen«, sagte ich unsicher. »Und ich kann auf ihr… äh… Verständnis zählen?«
»Wir Pooles haben es nicht so mit dem Verständnis, Michael«, sagte George trübselig, »nicht mal diejenigen von uns, die die geistlichen Weihen empfangen haben. Aber vielleicht erfährst du von ihr irgendwelche Wahrheiten. Wenn du eine Therapie willst, verkaufe ich dir den Roboter.«
»Untersteh dich«, sagte der Roboter.
»Also«, sagte George, »wie fühlst du dich jetzt?«
»In meinem Kopf wirbelt alles durcheinander«, sagte ich zögernd. »Tom. Die Hydratlager, die das Ende dieser Welt bedeuten könnten. Die Kuiper-Anomalie, ein Abgesandter einer anderen Welt. Morag, vielleicht eine Besucherin von einer ganz anderen Wirklichkeitsebene. All diese Dinge scheinen außergewöhnlich oder ungeheuer bedeutsam oder beides zu sein. Und sie konzentrieren sich irgendwie auf mein Leben. Manchmal frage ich mich, ob es eine Verbindung zwischen ihnen gibt.«
Seine Augen – immer noch das familientypische Rauchgrau – strahlten. »Natürlich gibt es eine Verbindung. Dich.«
Ich hatte es nicht laut aussprechen wollen. Ich schaute auf meinen Körper hinab, meinen dicken Bauch, meine fetten Beine. »Das ergibt doch keinen Sinn.«
»Es ist sogar schon ein bisschen irrsinnig«, betonte der Roboter.
»Wir sind nicht alle gleich geschaffen, Michael. Ich möchte dir etwas erklären. Du weißt, dass die Kuiper-Anomalie im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts entdeckt wurde. In Wahrheit tauchte sie jedoch schon in einigen alten Aufzeichnungen auf, auf Bildern und in den Resultaten von Infrarotsuchen, die aus der Zeit vor der formellen ›Entdeckung‹ stammten. Sie war nur nicht als das erkannt worden, was sie war. Aber wir haben ein Datum, bis auf den Tag genau, wann dieses Ding am Rand des Sonnensystems erschienen ist. Und weißt du, wie dieses Datum lautet?«
Plötzlich fror ich. Es war wie das Gefühl, das mich manchmal vor Morags Erscheinungen befiel. »Sag’s mir.«
»Die Anomalie ist am Tag deiner Geburt erschienen. Ein Zufall?« George lehnte sich zurück und lachte. »Wir sind schon ein komischer Haufen, wir Pooles, ein verdammt komischer Haufen. Immer im Brennpunkt der Geschichte. Wir können nichts dagegen tun. Also, hilfst du mir jetzt hoch, oder muss ich mich auf den Roboter verlassen?«
Der
Weitere Kostenlose Bücher