Transzendenz
gaben nach, ihre Kopf rollte hin und her, und ein Speichelfaden rann ihr aus dem Mundwinkel.
Alia drehte sich zu Bale um. »Was habt ihr mit ihr gemacht?«
»Alia, du musst das verstehen…«
Sie schlug ihm gegen die Schulter. Mit ihren langen Weltraumbewohner-Armen war sie durchaus imstande, jemandem einen kräftigen Schlag zu versetzen, und er flog in den Schmutz. Er starrte zu ihr auf; sein Mund war ein Kreis des Schocks.
Denh und Seer traten zwischen sie und Bale und sahen sie wachsam an. »Schlage ihn nicht noch einmal«, sagte Denh. »Deiner Schwester wird nichts geschehen.«
»Aber ihr tut Drea das an.« Dies war die andere Seite ihrer inneren Verbindung, dachte sie, der dunkle Schatten der gemütlichen Familienzusammenkünfte, die sie auf der Rostkugel erlebt hatte – diese Macht, in den Kopf einer Fremden zu greifen.
Bale stand wackelig auf. »Sie ist da drin. In Sicherheit. Sie kann nur… keine Verbindung aufnehmen.«
Alia schaute in Dreas schlaffes Gesicht. »In Sicherheit? Sie hat bestimmt schreckliche Angst.« Sie drehte sich zu Reath um. »Hast du das gewusst?«
Er machte ein schockiertes Gesicht. »Natürlich nicht. Sie haben mich gebeten, Drea hierher zu holen, aber deinetwegen, nicht deswegen. Ich wusste über diese Welt Bescheid, über die Statuen – ich dachte, es ginge um deine Ausbildung. Mit so etwas habe ich nicht gerechnet!«
Zum ersten Mal sah sie genau, wie schwach er war und wie wenig Hilfe bei der Bewältigung dieser plötzlichen Krise sie von ihm zu erwarten hatte. »Weißt du, was sie vorhaben?«
Reath schnitt eine Grimasse. »Weißt du es denn nicht?«
Sie starrte ihn an. Dann schloss sie die Augen. Sie nahm die geistigen Wesenheiten der drei Campocs wahr, aber sie blieben ihr verschlossen – drei harte schwarze Kugeln in ihrem Gedankenuniversum. Und Drea war da, ein winziges, helles Ding, das in einem Käfig zappelte.
Sie schlug die Augen auf und atmete ein paar Mal tief durch. Die Campocs waren keine Transzendenten, aber sie besaßen viel mehr Macht, als sie geahnt hatte, und sie waren bösartig. Sie selbst war hier praktisch allein; niemand würde ihr helfen. Und die ganze Zeit war sie sich dieses ängstlichen, gefangenen kleinen Geschöpfs im Kopf ihrer Schwester bewusst, das ganz und gar davon abhängig war, was sie als Nächstes tun würde. Alia zitterte ebenso vor Angst wie vor Zorn. Eine tolle Transzendentin würde sie abgeben! Aber sie musste einen Weg finden, mit dieser Sache fertig zu werden. Sie hielt sich an ihrem Zorn fest; er würde nützlicher sein als die Angst.
Sie funkelte Bale an. »Na schön. Was wollt ihr von ihr?«
»Von ihr? Nichts. Wir wollen dich. Oder vielmehr, wir möchten, dass du etwas für uns tust.«
»Warum nehmt ihr dann nicht mich statt sie?«
»Das würde nicht genügen«, sagte Bale. »Du musst frei handeln können.«
»Ich bin nicht frei, wenn ihr meine Schwester gefangen haltet!«
»Dann eben ohne unsere bewussten Befehle. Du musst für uns arbeiten wollen, Alia.«
»Wie lange werdet ihr sie festhalten?«
»So lange wie nötig.«
»Nötig wofür?«
Reath trat vor. »Ich glaube, ich verstehe. So lange, bis du Mitglied der Transzendenz bist, Alia. Verstehst du? Sie hoffen, dich durch deine Schwester im Griff behalten zu können, und sie hoffen, durch dich einen gewissen Einfluss auf die Transzendenz zu gewinnen.«
Alia fand diesen Gedanken schockierend, fast schon blasphemisch. »Wie könnt ihr es wagen, die Transzendenz herauszufordern? Und dann auch noch auf solch niederträchtige Weise, indem ihr eine Geisel nehmt…« Der Kontrast zwischen der Kühnheit ihres Ziels und der Schäbigkeit ihrer Methoden war verblüffend.
»Wir haben keine andere Wahl«, sagte Bale grimmig.
»Wir haben Angst«, ergänzte Denh.
»Vor der Erlösung«, schloss Seer.
»Vor der Erlösung? Dem Beobachten? Was hat das denn mit all dem zu tun?« Sie starrte sie verblüfft, wütend und zunehmend verängstigt an.
»Ich glaube, wir müssen das ausführlicher besprechen«, sagte Reath mit einer Spur seiner alten Entschlossenheit. »Aber nicht hier, in diesem Schmutz. Kommt. Kehren wir in meine Fähre zurück.« Er warf Drea einen unschlüssigen Blick zu. »Kann sie…«
Alia nahm die Hand ihrer Schwester; Dreas Finger waren schlaff. »Komm, Liebes. Es ist okay.«
Vielleicht löste sich der Griff der Campocs um Dreas Nervensystem ein wenig. Ihr Blick war noch genauso unkoordiniert wie zuvor, aber als Reaktion auf den sanften Druck ihrer Schwester
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